© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000


Rechtsstaatlichkeit
von Claudia Hansen

Eine schönere Bühne hätte sich Parteigründer Roland Schill nicht wünschen können: Seit letztem Montag wird dem von der Presse "Richter Gnadenlos" genannten 41jährigen der Prozeß gemacht – wegen "Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung im Amt". Beobachter halten es aufgrund der groben Fehler der Anklage für beinahe ausgeschlossen, daß es zu einer Verurteilung kommt. Wer hätte geglaubt, daß der Gerichtspräsident persönlich am dritten Tag mit "möglicherweise entlastenden" Tatsachen herausrückt! Schill sitzt gutgelaunt auf der Bank des Landgerichts, grüßt seine zahlreichen "Fans" hinter der Glasscheibe und kann sich nebenbei über einen gewaltigen Medienrummel freuen. Sein Bekanntheitsgrad ist in der Stadt mindestens so hoch wie der von Bürgermeister Ortwin na-wie-heißt-er-gleich?

Anfang des Jahres mußte Schill ins Zivilgericht übersiedeln, aber nein, natürlich keine Strafversetzung, bloßer Zufall. Was für eine Genugtuung wäre es für die von ihm so oft gescholtenen Alt-68er gewesen, den begabten Juristen für ein paar Jahre hinter Gitter verschwinden zu sehen. Daraus wird jetzt nichts! Für die Hamburger Altparteien wird es aber brenzlig. Seit einigen Wochen bezichtigen sie sich gegenseitig "Schiß vor Schill" zu haben (O-Ton Runde). Umfragen verheißen der PRO ("Partei Rechtsstaatlicher Offensive") jetzt satte zweistellige Zustimmungswerte. Bei den Wahlen zur Bürgerschaft könnte die Schill-Partei zur drittstärksten Kraft aufsteigen. In einer Koalition mit der CDU will er dann "den rot-grünen Senat zum Teufel jagen".


 
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