© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
Auf dem Marsch in die zweite Reihe
Euro-Krise: Die Ablehnung der EU-Währung durch die dänischen Stimmbürger wirft viele Fragen auf
Bernd-Thomas Ramb

Die Dänen haben abgestimmt und dem Euro – bis auf weiteres – den Laufpaß gegeben. Bedeutsam ist dabei nicht nur das eindeutige Votum gegen die Abschaffung der nationalen Währung. Immerhin widerstanden mehr als 53 Prozent der Wahlbeteiligten den Bitten, Flehen und Drohen der dänischen Eurobefürworter. Noch beeindruckender ist die Tatsache, daß die Eurogegner sich den Empfehlungen des gesamten politischen Establishments widersetzten. Regierung und Parlamentsopposition hatten gemeinsam mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern der dänischen Bevölkerung die Notwendigkeit des Euros einzubleuen versucht – vergebens. Das dänische Volk pfiff auf die vermeintlichen Segnungen des Euros und beharrte auf die Beibehaltung der Krone.

Entsprechend scharf fielen die Reaktionen aus. Während in Dänemark bei den regierenden Euro-Anhängern Enttäuschung und Ratlosigkeit vorherrschten, gab es im Ausland teilweise sehr heftige Kommentare. Ein FAZ-Journalist scheute sich nicht, die Euro-Widerständlerin Pia Kjærsgaard als "Vorsitzende der rechtsradikalen Volkspartei" zu bezeichnen, die "fremdenfeindliche Töne gegen die neue Währung schürte". Andere, insbesondere nichtdänische Politiker, enthielten sich der Versuchung, die mißglückten Anti-Österreich-Reflexe im Falle Dänemarks zu wiederholen, jede Abweichung von der Euro-freundlichen Linie als Ausdruck eines stupiden Rechtsradikalismus zu etikettieren, und beschränkten sich darauf, das dänische Abstimmungsergebnis als bedeutungslos herabzuwürdigen oder die Qualität der Ja-Stimmen über die der Nein-Stimmen zu heben.

Eine erste Analyse des dänischen Euro-Widerstands offenbart eine tiefer liegende Abneigung gegen den Euro, die nicht nur mit dem desolaten Dollarwechselkurs zu tun hat. Natürlich hat auch der scharfe Kursverfall seit der Einführung des Euro um fast ein Drittel seines Ausgangswertes seine Spuren hinterlassen. Selbst der größte Eurooptimist glaubt nicht mehr daran, daß der Euro in absehbarer Zeit gegenüber dem Dollar um 50 Prozent an Wert gewinnt. Fallende Prozentzahlen sind wegen des Niveauverlusts nur durch ein Höheres an steigenden Prozentzahlen auszugleichen, gerade in Währungsangelegenheiten eine schwer zu nehmende psychologische Schwelle.

Negativ beeindruckender in der rein währungsbezogenen Beobachtung war für die Dänen sicher die politische Bewertung des Euroniedergangs im Euroland. Das unqualifizierte Schimpfen auf die Irrationalität der Märkte, die Glorifizierung des Aufwertungspotentials oder die Verdammung der angeblichen Währungsspekulanten haben auch dem währungspolitisch unbedarftesten Dänen leicht klarmachen können, daß im Euroland keine Währungsfachleute das Sagen haben. Gleichermaßen peinlich mußte auch die Tatsache wirken, daß einseitige Interventionen der Europäischen Zentralbank auf dem Devisenmarkt nicht nur wirkungslos verpufften, sondern mit weiteren Kursabschlägen verlacht wurden. Erst die Unterstützungskäufe der amerikanischen Zentralbank vermochte dem tiefem Fall des Euro kurzfristig Luft zu verschaffen. Eine Ohrfeige in das Gesicht der Pro-Euro-Argumentierer, die mit der Gemeinschaftswährung eine stärkere Position gegenüber dem Dollar versprachen. Das Gegenteil ist nun bewiesen.

Mehr aber noch als die rein monetären Sachverhalte haben den dänischen Durchschnittswähler sicher die politischen Folgewirkungen des Euros abgeschreckt. Daß die Preisgabe der nationalen Währung auch mit einem Verlust der nationalen Freiheit einhergeht, haben selbst die Befürworter des Euro nicht verhehlen können. Ihre Lockungen, damit eine bessere wirtschaftliche Lage, niedrigere Zinsen und sonstige EU-europäische Annehmlichkeiten erkaufen zu können, hat jedoch die Mehrheit der Dänen nicht von der Profitabilität des politischen Geschäfts überzeugt. Der Ertrag war ihnen zu vage, der Preis dafür eindeutig zu hoch.

Das dänische Nein zum Euro nun als belanglos hinzustellen, hieße den gleichen Fehler des Realitätsverlustes zu wiederholen, der mit dem Gerede vom Aufwertungspotential bis ins Lächerliche wiederholt wurde. Dänemark umfaßt zwar weniger als zwei Prozent der EU-Bevölkerung und die dänische Wirtschaft nur knapp drei Prozent der EU-Produktion, das dänische Abstimmungsergebnis besitzt jedoch Multiplikatorwirkung. Mit ihm steigt die Wahrscheinlichkeit, daß auch Schweden und vor allem Großbritannien auf absehbare Zeit dem Euro entsagen. Damit steigt der Anteil der offiziell anerkannten Euroverweigerer innerhalb der EU auf 20 Prozent der Bevölkerung. Zudem erwirtschaften diese drei Länder ein Viertel des EU-Sozialprodukts. Die Euro-Relevanz nimmt also rapide ab. Diese Relationen ändern sich zwar, wenn die beitrittswilligen osteuropäischen Staaten in die EU aufgenommen werden, allerdings kaum zum Vorteil des Euro, denn diese Staaten wollen den Euro ebenso inständig, wie sie sich ihrer nationalen Weichwährungen entledigen wollen.

Kein Wunder also, daß deutsche Eurokritiker nach dem Dänendesaster Morgenluft wittern. Ihre Forderung nach einer Verschiebung der Bargeldeinführung macht allerdings wenig Sinn. Der entscheidende Nachteil des Euros, die Wechselkursfixierung der am Euro beteiligten Landeswährungen, bleibt dadurch unberührt. Eher dürfte die Erneuerung des Begehrens einer deutschen Volksabstimmung die Euro-Befürworter in Aufruhr versetzen, nachdem jüngste Umfragen bescheinigten, daß nur noch 15 Prozent der Deutschen dem Euro vorbehaltlos vertrauen. Um so mehr werden die amtierenden Politiker eine deutsche Wiederholung der dänischen Anti-Euro-Abstimmung zu verhindern trachten. Wahrscheinlicher dürfte dagegen die alte Idee wieder an Kraft gewinnen, den Euro zunächst als Parallelwährung einzuführen. Die damit verbundene Beibehaltung der nationalen Währungen, vor allem aber die Entkoppelung ihrer Wechselkurse, würde nicht nur die europäischen Bevölkerungen beruhigen, sondern auch ein enormes Wachstumspotential freisetzen.

Irgendeine politische Reaktion auf die dänische Abstimmung muß auf jeden Fall erfolgen, sonst reagieren die Märkte um so schärfer. Schon jetzt ist der Euro auf forschem Rückzug in die zweite Reihe der weltweit relevanten Währungen. Jede weitere Schwächung würde das endgültige Aus einleiten, ein Ergebnis, das viele der Euro-Kritiker zwar vorausgesagt und noch mehr sich gewünscht haben, das aber unabsehbar hohe Erfahrungskosten eines verfehlten Währungsexperiments verursachen würde.


 
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