© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
Dem Vergessen entrissen
Der russische Fotograf und Archivar Anatolij P. Bachtin erhält den Ostdeutschen Kulturpreis
Andreas M. Daniel

Die Landsmannschaft Ostpreußen verleiht dem russischen Fotografen und Bildarchivar Anatolij Pawowitsch Bachtin für sein dokumentarisches und publizistisches Wirken im Königsberger Gebiet den diesjährigen Ostpreußischen Kulturpreis. Bachtin habe durch seine Arbeiten Zerstörung und Verfall, aber auch den Erhalt von Bürgerhäusern und insbesondere von Kirchen durch anderweitige Nutzungen für eine Zeit dokumentiert, in der deutschen Journalisten, Wissenschaftlern und den aus der Heimat vertriebene Ostpreußen der Zugang in das Königsberger Gebiet verwehrt blieb, teilte die Landsmannschaft zur Begründung ihrer Entscheidung mit.

Bachtin wurde 1949 in Königsberg geboren, von frühester Jugend an interessierte er sich für die preußische Bausubstanz in dem russisch verwalteten Teil des dreigeteilten Ostpreußen. Aufgrund des beschleunigten "Wiederaufbaus" der Stadt, der meistens ihre Zerstörung bedeutete, begann Bachtin Ende der siebziger Jahre, die noch erhaltenen Kirchen, Skulpturen und Häuserreliefs fotografisch zu dokumentieren. Diese über Jahrzehnte hinweg aufgebaute Dokumentation – insbesondere über die Kirchen im Königsberger Gebiet – gilt heute als Fortsetzung des bis 1945 reichenden dreibändigen kulturhistorischen Standardwerks "Geschichte der Evangelischen Kirche Ostpreußens" von Walther Hubatsch und Iselin Gundermann. Mit Hilfe der Lüneburger Ost-Akademie veröffentlichte er seine Dokumentation 1998 gemeinsam mit Gerhard Doliesen unter dem Titel "Vergessene Kultur. Kirchen in Nord-Ostpreußen", die auch interessierten Laien ohne kulturhistorische Vorkenntnisse einen Einblick in die vergangene und heutige Kirchensubstanz bietet. Bachtin hat damit nach Ansicht der Landsmannschaft Ostpreußen einen wesentlichen Beitrag gegen das Vergessen des alten deutschen Osten geleistet.

Der Ostpreußische Kulturpreis wird seit 1957 an Persönlichkeiten verliehen, die sich in den Sparten Literatur, Bildende Kunst und Musik, Wissenschaft und Publizistik um Ostpreußen verdient gemacht haben bzw. die aus Ostpreußen stammen. Die Preisverleihung an Bachtin findet am 5. November in Berlin statt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen