© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/00 13. Oktober 2000

 
Die Republik kippt
Im Zuge der "Kampagne gegen Rechts" driftet Deutschland immer weiter nach links
Michael Wiesberg

Immer groteskere Züge nimmt die derzeit laufende antifaschistische Erregung aller "gesellschaftlich relevanten Gruppen" in Deutschland an. Da ermutigt zum Beispiel der parteilose Bundeswirtschaftsminister Müller deutsche Unternehmen, "rechtsextremistischen" Mitarbeitern zu kündigen. Wohlgemerkt: Nicht Mitarbeitern, die in irgendeiner Art und Weise "auffällig" geworden sind, sondern Mitarbeitern, die eine nicht konforme politische Gesinnung haben. Müller weiter: "Die Betriebe müssen ganz klar zeigen: Null Toleranz gegenüber Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsradikalismus. Nicht einmal der begründete Verdacht darf toleriert werden." Ähnlich äußerte sich Anfang Oktober bereits Bundeskanzler Gerhard Schröder, als dieser forderte, daß Rechtsextreme bis in die Betriebe hinein isoliert werden müßten.

Dem Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion der Grünen, Rezzo Schlauch, ist dies alles noch zu wenig. Alles, was von rechts komme, so Schlauch, müsse "gnadenlos geächtet und bekämpft" werden. Was im Einzelfall "rechts" ist, das bestimmt selbstredend die "pluralistische Linke" von PDS bis Sozialdemokraten. Daß die PDS inzwischen zum Club der Arrivierten gehört, verdeutlichte spätestens das Treffen zwischen Bundeskanzler Schröder und dem scheidenden PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky. Die PDS wurde mit diesem Treffen zur "normalen Partei" aufgewertet und ist damit ein Gewinner der laufenden Kampagne. Das u.a. von der PDS im April im Rahmen einer dreitätigen Studientagung der Vereinten Europäischen Linken im Europäischen Parlament in Wien, an der auch PDS-Abgeordnete teilnahmen, anvisierte Ziel einer Ächtung "rechten Gedankengutes" ist schon jetzt weitgehend erreicht. Damals erklärte z.B. der Vorsitzende der Vereinten Linken, Francis Wurtz von der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF): "Wir müssen dafür sorgen, daß es keine wie auch immer geartete Akzeptanz von rechtem Gedankengut in unseren Gesellschaften gibt." Daß überhaupt Informationen über diese Tagung durchsickerten, ist u.a. dem Publizisten Helmut Bärwald zu verdanken. Dieser kolportierte auch folgendes Zitat des machtbewußten Vorsitzenden der KPF, Robert Hue zum Einzug der PDS in das Europaparlament im Jahre 1998 wie folgt: Die Lage in Deutschland werde sich nun generell verändern, "und das dürfte Konsequenzen für Europa haben".

Um diese Veränderung voranzutreiben, wurde auf der oben angesprochenen Studientagung u.a. "der Aufbau einer starken europäischen Linken" und eine "Intensivierung kommunistisch-sozialistischer Bündnispolitik" insbesondere unter der Flagge "antifaschistischer Kampf", beschlossen (so Helmut Bärwald). Hue lag mit seiner Prognose so falsch nicht: Die Situation in Deutschland droht sich inzwischen tatsächlich "generell zu verändern". Die jetzige Kampagne trägt, ungeachtet der Tatsache, daß sich Politiker und Interessenvertreter aller möglichen politischen Couleur zu Wort melden, alle Kennzeichen linksextremistischer Agitation. Zu dieser Agitation gehört z.B. der ständig vorgetragene Versuch, zwischen der gegenwärtigen politischen Situation in Deutschland und der Entwicklung zu Ende der Weimarer Republik scheinbare Analogien zu behaupten. Zu dieser Agitation gehört weiter die Behauptung, "rechtsextremistische Gesinnung" reiche bis weit "in die Mitte der Gesellschaft" hinein. So behauptete der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, allen Ernstes, es gebe inzwischen ein "kulturelle Massenbasis" für rechtsextreme Haltungen. Diese müßten verändert werden. Meint: die Deutschen müßten endlich jene "Vernunft" annehmen, die nach Auffassung linker Gesellschaftsingenieure notwendig ist, damit in Deutschland endlich die multikulturelle Seligkeit ausbricht.

Tatsächlich gibt es in Deutschland weder eine "kulturelle Massenbasis" für "rechtsextreme Haltungen" noch eine Situation, die an die Weimarer Republik in ihrer Endphase erinnert. Von besonders symbolhafter Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die jüngsten Anschläge auf jüdische Synagogen, deren Hintergründe aber, sieht man einmal von dem Anschlag auf die Essener Synagoge ab, bisher keineswegs aufgeklärt sind. Ebensowenig wie der Sprengstoffanschlag an der Düsseldorfer S-Bahn-Station Wehrhahn, der Auslöser der "Kampagne gegen Rechts" gewesen ist. Für Medien und Politik stand und steht fest, wer die Täter gewesen sind: deutsche Rechtsextremisten. Inzwischen suchen die Ermittler die Täter dessenungeachtet verstärkt in Kreisen der russischen organisierten Kriminalität. Dies berichtete u.a. das ARD-Politikmagazin "Kontraste" am 21. September dieses Jahres. Der ermittelnde Staatsanwalt Johannes Mocken wurde in dieser Sendung wie folgt zitiert: "Eine unserer Arbeitshypothesen ist auch, daß es sich um eine Schutzgelderpressung handeln könnte, daß man mit diesem Bombenanschlag möglicherweise Eindruck machen wollte." Bezeichnend ist es, wie "Kontraste"-Autorin Anja Dehne die Möglichkeit kommentierte, daß die Täter aus einer ganz anderen Richtung kommen könnten: "Wenn es denn also keine Nazis waren? Wäre es dann mit der Empörung im Land gegen die Gewalt von rechts schon wieder vorbei?" Also wird die Öffentlichkeit in Deutschland weiter in dem Glauben gelassen, die Täter von Düsseldorf seien "rechtsextreme Gewalttäter" gewesen. Die "antifaschistische Erregung" kann nur bei einem entsprechenden Verdachts- und Denunziationsklima weiter am Köcheln gehalten werden. Dieses Klima muß jeden Tag wieder angeheizt werden, muß täglich mit immer neuen Repressionsforderungen verschärft werden. Irgendwann werden die Deutschen dann mental soweit sein, daß das durchzugesetzt werden kann, was die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) gefordert hat: neue Gesetze für die "multikulturelle Gesellschaft". Bestandteil dieser Gesetze soll laut John ein "Haßparagraph" im Strafgesetzbuch sein, mit dem "rassistische Gewalttäter", womit selbstredend Deutsche gemeint sind, härter bzw. noch "gnadenloser" abgestraft werden können.

Die einseitige Eingrenzung der Diskussion auf "rechte Gewalt" folgt also einem politischen Kalkül. Dieses Kalkül verhindert u.a., daß in Deutschland endlich eine Debatte über die besorgniserregende Gewaltexplosion der letzten Jahre in Gang kommt. Laut BKA wurden 1999 388.406 Körperverletzungsdelikte registriert, darunter 299 mit Todesfolge und 114.516 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung. Zum Vergleich: In der ersten Jahreshälfte 2000 registrierte das Bundeskriminalamt laut Focus 330 Fälle sogenannter "rechtsextremistischer" Gewalt. "Sogenannte rechtsextremistische Gewalt" deswegen, weil es bis heute keine einheitlichen Kriterien dafür gibt, was denn nun eine "rechtsextremistische Gewalttat" ausmacht. Differenzierende Erwägungen stören nur bei der volkspädagogisch gewünschten Erregung gegen alles, was "rechts" steht.


 
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