© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/00 13. Oktober 2000


Das Tor als Logo
von Richard Stoltz

Die Angst der Berliner Regierung und des Berliner Senats vor einem "politischen Mißbrauch des Brandenburger Tores" nimmt gefährliche, die Grundrechte bedrohende Formen an. Weil einige NPD-Leute mit ihren Fahnen vor dem Tor demonstrieren könnten und weil die Bilder davon "um die Welt gehen" könnten, wird zur Zeit allen Ernstes eine Einschränkung des vom Grundgesetz garantierten Demonstrationsrechts ins Auge gefaßt. Es soll eine riesige Bannmeile um das Tor gezogen werden, oder es sollen gleich ganze mißliebige Parteien verboten werden, weil sie das Tor als Symbol mißbrauchen könnten. Das ist ein starkes Stück.

Man soll sich in Berlin endlich klarmachen: Symbole, die nicht mißbraucht werden können, gibt es gar nicht. Wobei das Definierenwollen von "Mißbrauch" eine fatal diktatorische Gesinnung bezeugt. Wer bestimmt denn, was Mißbrauch ist und was nicht?

Deutschland ist bekanntlich der Staat in der Welt, in dem das Vorzeigen zahlreicher Symbole bzw. Ersatzsymbole verboten und unter Strafe gestellt ist. Jetzt will man noch einen Schritt weitergehen und öffentliche Gebäude oder Straßenanlagen, die nicht als solche verboten werden können, mit einem paragraphenbewehrten "Symbolschutz" versehen. Grotesk!

Kein Politiker und keine Partei hat das Recht, bestimmte historische Teile von Städten oder Landschaften für sich als Logo und Markenartikel zu reklamieren. Wer das versucht, ist reif fürs Gericht.


 
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