© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/00 13. Oktober 2000

 
WIRTSCHAFT
Jugoslawische Wiedergutmachung
Bernd-Thomas Ramb

Vor dem Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa galt Jugoslawien als einer der wohlhabendsten Staaten dieser Region, relativ gesehen. Von diesem, in absoluten Zahlen gemessenen armen Einkommensniveau haben die Bürger Rest-Jugoslawiens nach vier verlorenen Kriegen und dem völkerrechtswidrigen Bombardement der Nato zwei Drittel abschreiben müssen. Der rapide Zusammenbruch der Wirtschaft ist ebenso Ursache für die Abwahl Milosevics, wie er dem frisch gekürten Hoffnungsträger Kostunica einen baldigen Abgang bescheren könnte. Wenn nicht schnellstens westliche Hilfe eintrifft. Die deutsche Wirtschaft ist dazu nur allzu gerne bereit. Zur Beseitigung der Kriegsschäden müssen nur die alten Pläne hervorgezogen werden, denn mehr als die Hälfte der technischen Infrastruktur Jugoslawiens stammt aus Deutschland.

Das Engagement der deutschen Firmen steht und fällt mit dem Grad der politischen Stabilität in Restjugoslawien. Die Bemühungen der Bundesregierung um eine rasche Anerkennung des neuen Präsidenten ist daher hilfreich und auch der finanzielle Einsatz Berlins in einem gewissen Umfang erforderlich. Bedenklich wird es allerdings, wenn EU-Interessen ins Spiel gebracht werden. Selbstverständlich hat ganz Europa, soweit es der Nato angehört, eine moralische Verpflichtung zur Wiedergutmachung der Bombenschäden. Andererseits ist die übertriebene Bevorzugung Rest-Jugoslawiens gegenüber den anderen Balkanstaaten unverständlich. Die EU will doppelt so viel (5,1 Milliarden Mark) Rest-Jugoslawien zukommen lassen, wie es jugoslawische Wirtschaftsfachleute für nötig halten. Ähnliche EU-Spendierfreude hätte man sich beispielsweise auch im Falle Kroatiens gewünscht. Das aber war Brüssel nicht genehm.


 
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