© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/00 13. Oktober 2000

 
Hinhaltemanöver
Rechtschreibreform: Kultusministerkonferenz spielt auf Zeit
Moritz Schwarz

Der Kampf um die Rechtschreibreform geht nach dem letzten großen Paukenschlag, der Rückkehr der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur alten Rechtschreibung, in die nächste Runde. Infolge der durch die Kehrtwende der FAZ erneut ausgebrochenen Diskussion hat die Kultusministerkonferenz (KMK) nun beschlossen, den in Auftrag gegebenen Zwischenbericht über die Reform früher als bisher geplant "bereits" Ende 2001, statt 2003, vorlegen zu lassen. Der Bericht, anzufertigen von einer zwischenstaatlichen Wissenschaftlerkommission, wird Auskunft über die Praxis der Reform in Schulen, Behörden, Zeitungen und im privaten Bereich geben. Falls die Sprachexperten feststellen, daß sich Details nicht bewährt haben, werden sie neue Vorschläge machen.

Also eine Reform der Reform? Dazu solle es auf keinen Fall kommen, so das Pressebüro der Ministerkonferenz gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Wozu aber soll sonst der in Auftrag gegebene Bericht dienen? Etwa, bei eventuell niederschmetternden Ergebnissen, die Reform dann Ende 2001 doch noch zu kippen? Wohl kaum.

Damit, so beklagt der bunte Reigen an Vereinen, Verbänden und Institutionen, die sich dem Kampf gegen die neue Rechtschreibung widmen, bleibe die unsinnige Reform jedoch erhalten. Die "Initiative für eine vernünftige Rechtschreibung" angeführt von dem profilierten Reformgegner, dem Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk, nennt daher den KMK-Beschluß schlicht ein "Hinhaltemanöver". Und tatsächlich existiert bereits seit 1998 ein von eben derselben Kommission erarbeiteter Katalog mit "unumgänglich notwendigen" Verbesserungen, die die KMK sofort verwirklichen könnte, bestünde nur der politische Wille dazu. Alles weist also darauf hin: man spielt auf Zeit.

Noch klarer formulierte daher der "Verein für Rechtschreibung und Sprachpflege" (VRS) seinen Protest gegen die durchsichtigen Versprechungen der Konferenz. Auf einem mit namhaften Pädagogen besetzten Podium wandte sich der VRS nun in einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit: Einstimmig forderte man dort erneut die sofortige Zurücknahme der Reform und geißelte die "Propagandalüge" der Ministerien, die Reform habe die Zahl der Fehler in Schularbeiten und Zeitungen verringert. Das Gegenteil sei der Fall und die Reform werde so auf dem Rücken der Schüler ausgetragen.

Das Thema durch ein Spiel auf Zeit bis zum Sankt-Nimmerleinstag zu vertagen, liegt im übrigen nicht nur deshalb im Interesse der Kultusminister, weil sie sich bei einem Scheitern der am Volk vorbei durchgepeitschten Reform blamieren würden. Durchaus spielen auch handfestere Interessen eine Rolle: So sind die Kultusminister, ob leerer Kassen, sehr daran interessiert, die in Sachen EDV so sträflich vernachlässigten deutschen Schulen durch Sponsoring aus der einschlägigen Wirtschaft auszustatteten. Die Programme freilich müssen dann teuer von den Schulen nachgekauft werden – und zwar jeweils in der aktualisierten Form der neuen Rechtschreibung.


 
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