© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/00 20. Oktober 2000

 
Vorläufig vorbestraft
Hamburg: Richter Ronald Schill wird zu einer Geldstrafe verurteilt
Claudia Hansen

Das Landgericht Hamburg hat den umstrittenen Richter Ronald Barnabas Schill erstinstanzlich zu einer Geldstrafe von 12.000 Mark verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung beantragt, Schills Verteidiger Freispruch. Mit seiner Entscheidung blieb das Gericht unter dem Vorsitz von Wolfgang Göhlich zwar deutlich unter der gesetzlichen Mindeststrafmaß von zwölf Monaten Freiheitsstrafe, dennoch gälte Schill als vorbestraft, sollte das Urteil einer Revision des Bundesgerichtshofes (BGH) standhalten. Göhlich sah es als erwiesen an, daß Schill die Haftbeschwerden zweier Prozeßstörer aus der linken Szene vorsätzlich nicht bearbeitet und damit deren Grundrechte verletzt habe. Seine Begründung des Urteils läßt jedoch einige Fragen offen. Einerseits sei Schill "zu Recht" davon ausgegangen, daß die Ordnungshaftbeschlüsse rechtmäßig gewesen seien. Deshalb habe sich Schill nicht der "Freiheitsberaubung im Amt" schuldig gemacht. Obwohl also die Ordnungshaft zu Recht verhängt worden war, habe Schill das Recht gebeugt, weil er die Beschwerden nicht weitergeleitet habe, aus Sorge, die Prozeßstörer könnten von milderen Richtern sofort wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Nicht sehr klug war die Bemerkung Göhlichs, sein Urteil könne "vielleicht" vor dem BGH "keinen Bestand haben".

Ronald Schill konnte seine Wut über das Urteil nur schwer verbergen. Er sprach von einer "schreienden Ungerechtigkeit" und sieht sich in seiner Ansicht bestärkt, die Hamburger Justiz huldige dem "Zeitgeist der 68er" und sei "tendenziell verbrecherfreundlich". Umringt von Fernsehteams erklärte Schill: "Ich werde mich jetzt erst recht und noch engagierter dafür einsetzen, die eklatanten Mißstände in der Hamburger Justiz aufzudecken." Anschließend war Deutschlands wohl bekanntester Richter, der seit kurzem auch Chef der Partei Rechtstaatlicher Offensive (PRO) ist, mehrere Tage für die Presse nicht zu sprechen. Dafür trat der stellvertretende PRO-Vorsitzende Mario Mettbach in einer Erklärung dem linken Jubelgeschrei entgegen, Schill habe nach der Verurteilung seine politischen Ambitionen aufgegeben: "Schills Kandidatur für die kommende Bürgerschaftswahl wird von diesem Urteil in keiner Weise berührt." Seinen Rücktritt habe Schill nur für den Fall etwas voreilig angekündigt, daß er rechtskräftig, also vom BGH, verurteilt werde. Sein Ziel sei es nach wie vor, als Hamburger Innensenator die hohe Kriminalität wirksam zu bekämpfen.

Die Reaktionen der Hamburger Presse auf die Geldstrafe für Schill waren verhalten freudig. Offensichtlich war aber das Bemühen, aus Schill keinen Märtyrer zu machen und damit seine Popularität in weiten Teilen des Volkes noch weiter zu stärken.


 
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