© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Knecht Ruprecht in die Wüste geschickt
CDU II: Laurenz Meyer ersetzt den glücklosen Ruprecht Polenz als Generalsekretär / Merkel strebt Kanzlerkandidatur an
Paul Rosen

Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Nicht einmal dieser Spruch paßt auf das unsägliche Ende der Karriere von CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz. Denn seine Schuldigkeit hat Polenz in dem knappen halben Jahr seiner Arntszeit gewiß nicht getan. Kein Funke zündete aus der frisch nach Berlin umgezogenen CDU-Zentrale, die Partei verharrte in der Lethargie der Spendenaffäre. Polenz stand nicht für die eisernen Tugenden, die ein Generalsekretär wie Heiner Geißler hatte und die der SPD-General Franz Müntefering hat: Klaren Angriffskurs fahren, Kampagnen erkennen und anheizen und den politischen Gegner bloßstellen. Er sei, gab Polenz am Tag seines Abschieds denn auch offen zu, eher ein Typ, der Brücken baue und nicht die Konfrontation suche.

Doch warum hatte CDU-Chefin Angela Merkel Polenz dann überhaupt verpflichtet? Daß der Münsteraner zu keinem Temperamentsausbruch fähig ist, war doch schon vorher bekannt. Frau Merkel hatte damals einen schwachen Generalsekretär aus einem starken Landesverband gesucht. Schwach deshalb, weil sie sich – unsicher in der ersten Zeit der Parteiführung – von niemandem die Schau stehlen lassen wollte. Aus einem starken Landesverband mußte der Generalsekretär deshalb kommen, um dessen Delegiertenstimmen auf dem Bundespatteitag als sichere Bank zu haben. Aus dieser Sicht war Polenz ein doppelter Glücksfall: Vom Typ eher harmlos, aber aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen stammend, der ein Drittel der Delegierten stellt.

Just in Berlin, bekam Polenz den Spitznamen "Knecht Ruprecht" verpaßt. Zu angepaßt wirkte der neue General, dem jeder politische Streit zutiefst zuwider erschien. In Partei und Öffentlichkeit fiel er nicht weiter auf. Eigentlich hinterläßt er in der CDU kein Loch, das man schließen müßte. Die Partei, die so wenig Geld hat, könnte den Generalsekretär eigentlich ganz einsparen. Zuletzt fiel Polenz eigentlich nur dadurch auf, daß er es ablehnte, nach sogenannten Statements noch Fragen der anwesenden Journalisten zu beantworten. Früher in Bonn hätte solches Verhalten zu Interventionen des Vorstandes der Bundespressekonferez bei der Parteiführung geführt. In Berlin passierte nichts. Was hätte man Polenz auch fragen sollen?

Der designierte Nachfolger, der frühere nordrhein-westfälische Oppositionsführer Laurenz Meyer, ist schon von anderem Kaliber. Seine Bißfestigkeit ist in den langen Jahren auf der Düsseldorfer Oppositionsbank hinreichend getestet worden. Allerdings fehlt Meyer jede bundespolitische Erfahrung. Aber wieder hat die gewiefte Taktikerin Merkel versucht, durch die Bestellung eines nordrhein-westfälischen Politikers den größten Landesverband auf ihre Seite zu ziehen.

Es wäre allerdings ein Trugschluß, zu glauben, Frau Merkel hätte ihre Position durch den Austausch des Generalsekretars gestärkt, auch wenn von ARD bisWelt etliche Medien die von den Einflüsterern des Adenauer-Hauses verbreitete Parole übernahmen, die CDU-Chefin habe durch die rasche Personalentscheidung Führungsstärke bewiesen.

Eines hat Frau Merkel allerdings bewiesen: Sie kennt die Medienszene und weiß, daß jedes Warten mit der Entscheidung über einen neuen Generalsekretär alle möglichen Kandidaten verbrannt und das Blitzlichtgewitter wieder tage-, wenn nicht wochenlang auf die CDU konzentriert hätte. Daher der Schnellschuß Meyer, der bereits im Frühjahr auf ihrer Kandidatenliste gestanden hatte. Doch beweist der Wechsel noch keine Führungsfähigkeit. Frau Merkel hatte in Kenntnis der nicht vorhandenen Qualifikation Polenz zum Parteigeneral gemacht.

Doch nutzte die CDU-Chefin den Wechsel ihres Generalsekretärs zu anderen Botschaften. In etlichen Medien wurde verbreitet, die CDU-Chefin habe durch die Ernennung eines neuen Generalsekretärs demonstrativ auch ihren Anspruch auf die Kanzlerkandidatur angemeldet. Die wird von der Rostocker Pastorentochter gewiß auch angestrebt; doch ist ihr Rückhalt in der Partei unsicher. Noch weiß niemand genau, für welche Positionen Frau Merkel eigentlich steht. In der Familienpolitik versuchte sie die CDU auf eine eher linke Linie zu bringen, in dem von ihr verfaßten Familienpapier findet sich die Respektierung homsosexueller Lebensgemeinschaften, die mit der Familie nichts zu tun haben. In anderen Bereichen hielt sich die CDU-Chefin bedeckt. In der aktuellen Politik wechselte sie häufiger die Botschaften – keine gute Voraussetzung, um 2002 die Macht in Berlin zu übernehmen.


 
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