© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Ewige Wahrheiten
Konservativer Katholizismus: Opus Dei und Priesterbruderschaft St. Pius X.
Alexander Barti

Jesus Christus war kein Demokrat.Seine Vollmacht erhielt er weder durch geheime und gleiche Wahlen eines repräsentativen Organs, noch durch eine Volksabstimmung. Er bekam seine Jünger auch nicht als "Abgeordnete des Volkes" zugeteilt. Er suchte sich seine Jünger aus, indem er sie in einem autoritären Akt zur Nachfolge aufforderte. Die Frauenqote erfüllte er dabei nicht, und auch Schwerbehinderte wurden bei gleicher Eignung nicht bevorzugt. Das alles sollte man nicht vergessen, wenn man sich gewisse Bestrebungen der katholischen Kirche in der heutigen Zeit betrachtet.

In jüngster Zeit gab es Handlungen des Heiligen Stuhls, die bestimmte Kreise in Rage brachten. Einmal war es die Seligsprechung des Papstes Pius IX., zum anderen zeterte man gegen die neueste Verlautbarung "Dominus Iesus", vorgetragen von Kardinal Ratzinger. In dem Schriftstück wird die Einzigartigkeit der katholischen Kirche und des katholischen Glaubens als Weg der Erlösung betont. Anglikaner und Protestanten, aber auch "progressive" Katholiken sprachen von einem "schweren Rückschlag für den ökumenischen Dialog". Papst Pius IX. wurde als reaktionär, konservativ und rückständig beschrieben und seine Seligsprechung als ein unverständlicher Akt des "erzkonservativen Flügels" innerhalb des Vatikan bezeichnet. Der unvermeidliche Hans Küng faselte von "mittelalterlicher Rückständigkeit und vatikanischem Größenwahn". Eugen Drewermann, exkommunizierter Priester und ebenfalls Popstar des Antikatholizismus, fand ebenfalls eine schnelle Antwort: das Opus Dei, so Drewermann, bekomme im Vatikan immer mehr Einfluß. Gleichzeitig nehme die Marienfrömmigkeit bei einem Teil des hohen Klerus zu.

Gegründet wurde das Opus Dei von dem spanischen Priester Josemaria Escrivá de Balaguer y Albás 1928 in Madrid. Es sollte "den Gläubigen einen neuen Weg der Heiligung mitten in der Welt eröffnen". Ziel war also keine Abkehr von den weltlichen Dingen, um sich zum Beispiel in einem Kloster in der Kontemplation Gott hinzugeben, sondern man wollte "Sauerteig echten, christlichen Lebens inmitten der Gesellschaft werden". 1943 gründete Escrivá die "Priesterliche Gesellschaft vom heiligen Kreuz", so daß von nun an auch eine eigene Priesterausbildung möglich war. Im Jahre 1950 erfolgte die endgültige Anerkennung durch den Heiligen Stuhl, und 1982 war die Gesellschaft, Escrivá war in der Zwischenzeit (1975) gestorben, am Ziel ihrer organisatorischen Wünsche angelangt: kirchenrechtlich wurde sie eine Personalprälatur. Das bedeutet, daß sie kein eigenes, abgestecktes Terrain (Diözese) hat. Das Opus Dei ist sozusagen eine virtuelle, globale Gemeinde, die auf der ganzen Welt aktiv werden kann, ohne den ortsansässigen Bischöfen unterstellt zu sein.

Escrivás Leben wurde besonders von dem Spanischen Bürgerkrieg geprägt. Während der Revolution, bei der die Truppen der "Internationalen Humanisten" Nonnen massenhaft vergewaltigten, Priester an Fleischerhaken hängten und in allen erdenklichen Formen die Altäre schändeten, mußte auch Escrivá um sein Leben fürchten. Er konnte sich verstecken und erlebte die Befreiung von den Roten Horden duch den Einmarsch Franco’scher Truppen. Daß Escrivá außerdem noch der Beichtvater von General Franco gewesen sein soll, erklärt die Verbissenheit, mit der die "Toleranten" im Lande auf das Opus Dei einschlagen. Wer in Francos Spanien nicht eingesperrt war, so die Logik der "Menschenfreunde", der muß zwangsläufig ein Faschist gewesen sein.

Escrivá war aktiv an dem II. Vatikanischen Konzil (1962–65) beteiligt. Er hat die dort gefaßten Reformen vollkommen akzeptiert. Sie werden, so zum Beispiel die Hinwendung des Priesters zur Gemeinde am Altar (Volksaltar), vom Opus Dei ebenfalls angewendet.

Die Anerkennung oder Ablehnung des II. Vatikanums ist deswegen so entscheidend, weil sie die Scheide wand der Konservativen und Progressiven schlechthin bedeutet! Für die einen sind die Reformen eine notwendige Hinwendung der Kirche zum modernen Menschen, für die anderen sind sie eine sträfliche Kompromißbereitschaft, die an der Grundlage der Kirche rüttelt. Im Prinzip lautet die Frage: Muß sich Gott mit seiner heiligen Kirche den Menschen hinwenden (Anthropozentrik), oder besteht der Sinn des menschlichen Lebens im gehorsamen Dienst an Gott (Theozentrik)? Politisch zugespitzt kann man weiterfragen: Geht "alle Macht vom Volke" aus, oder kommt alle Macht von Gottes Gnaden?

Um die Bedeutung des II. Vatikanums zu ermessen, muß man sich die Vorgeschichte verdeutlichen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstand in der katholischen Kirche eine sogenannte liturgische Bewegung. Sie forderte die Lesung der Messe, die bis dahin selbstverständlich auf Latein gehalten wurde, in der Landessprache. Im Prinzip vollzog sich damit auf der Ebene des supranationelen (katholischen) Christentums das gleiche, was man auch auf politischer Ebene – wesentlich deutlicher – beobachten konnte: der partikulare Nationalismus erhebt sich (zum Beispiel 1848 oder 1919) gegen die im Prinzip supranationalen Königsherrschaften. Gleichzeitig entsteht bei den Protestanten die ökumenische Bewegung, die der totalen Atomisierung der verschiedensten protestantischen Richtungen und Gruppen entgegenwirken will. Sie erfaßt auch Teile der katholischen Kirche, da man sich die Vereinigung mit den "getrennten Brüdern in Christus" erhoffte. Auch der konservative Teil des Klerus ist mit der Annäherung durchaus einverstanden, allerdings nicht um den Preis der Aufgabe von ewigen Dogmen. Dieser Punkt wird von dem in pluralistischen politischen Kategorien denkenden Normalbürger immer wieder falsch interpretiert. Denn: in der Theologie kann es keine Kompromisse geben! Entweder eine Glaubenslehre kommt von Gott und ist damit der menschlichen Kritik entzogen, oder sie kommt nicht von Gott und kann dann beliebig verändert werden. Da nun der Katholizismus davon ausgeht, daß die Kirche der mystische Leib Gottes ist, mit ewigen, unverrückbaren Wahrheiten ausgestattet, kann darüber nicht verhandelt werden. Schon gar nicht mit den protestierenden "Ungehorsamen" oder mit den Heiden aller Couleur.

Papst Pius XII. ist es, der in seiner Enzyklika "Mediator Dei" einen letzten Aufstand gegen die Liturgiereformer versucht. Vergeblich, denn der Ungehorsam war schon in der obersten Hierarchie angekommen. Gianbattista Montini, Erzbischof von Mailand, nahm gegen die Enzyklika Stellung und setzte die Reformen als späterer Papst Paul VI. durch. Eine wahrscheinlich noch wesentlichere Rolle bei der Modernisierung der Kirche spielte Erzbischof Annibal Bugnini, ein Freund und enger Vertrauter Pauls VI. Bugnini, der unter dem Pontifikat des ebenfalls reformfreudigen Johannes XXIII. als Professor für Liturgie wegen seines Modernismus angesetzt wurde, arbeitete unter Paul VI. in den Gremien der Liturgierefom mit. Sein Credo bestand darin, alles spezifisch Katholische aus dem Ritus zu entfernen. Damit wollte er alle Steine des Anstoßes auf dem Weg zur globalen Ökumene entfernen.

Die Motive für Bugninis Bemühungen wurden bald offenbar: der Oberste Päpstliche Gerichtshof sah die Mitgliedschaft des Erzbischofs in einer Freimaurerloge als erwiesen an. Bestürzt und enttäuscht schickte ihn Paul VI. in die Wüste. Aber die entscheidenden Reformdokumente wurden – interessanterweise – nicht revidiert. Sie waren vor allem durch einen ungeheuerlichen "Relativismus" gekennzeichnet. Theologische Konstruktionen, wie zum Beispiel die des "anonymen Christen" (Karl Rahner) oder die eines "kosmischen Christus", scheinen zwar die ganze Welt umfassen zu wollen, aber gleichzeitig geben sie die Missionsbereitschaft bzw. den Kampf gegen das Böse auf. Wenn jeder Mensch qua Geburt ein anonymer Christ ist, wozu soll man sich dann noch abmühen? Dann ist man nur noch von Freunden umgeben. Zumindest theoretisch. Diese tragische Logik findet man übrigens auch im politischen System der Bundesrepublik, wo jeder Einwanderer automatisch als braver zukünftiger Rentenzahler verbucht wird.

Eine Gemeinschaft des traditionellen Widerstandes innerhalb der "Konzilskirche" bildet die Priesterbruderschaft St. Pius X. Gegründet wurde sie von dem Pariser Erzbischof Marcel Lefebvre im Jahre 1970. Lefebvre, der anfangs ebenfalls an dem II. Vatikanischen Konzil beteiligt gewesen war, verweigerte am Ende seine Zustimmung zu den Reformen. Dafür wurde ihm oft der Vorwurf gemacht, er habe sich von der Kirche getrennt. Mittlerweile ist kirchenrechtlich eindeutig geklärt, daß die Piusbruderschaft (nicht zu verwechseln mit der Petrusbruderschaft) keinen Bruch mit der römisch-katholischen Kirche vollzogen hat. Die Piusbruderschaft, die ebenfalls über eine eigene Priesterausbildung verfügt, feiert den Meßritus in seiner alten, nach wie vor gültigen Form. Es werden Freizeiten und Exerzitien organisiert, und über einen Verlag (Rex Regum) hat man den publizistischen Kampf gegen die Fehlinformation aufgenommen. Ein Ökumenismus, der auf Kosten des Katholizismus geht, wird strikt abgelehnt.

Über hundert Jahre sind mittlerweile im Zeichen der Ökumene vergangen. Auf den verschiedensten Ebenen und zwischen verschiedensten Religionen sind viele Worte, viel Papier und nette Gesten gewechselt worden, aber eine tatsächliche Verbrüderung hat nicht stattgefunden. Etwas ist aber doch geschehen: die Kirchen sind – sofern sie keine Museen geworden sind – verlassen und entvölkert. Der "frische Wind des Modernismus", den Paul VI. gutgläubig entfesselt hat, ist zum Sturm angewachsen. Rock- und Popmessen, Kindergottesdienste – um nur die harmlosen Kompromisse zu nennen – und eine völlig falsch verstandene Toleranz zu allen möglichen gesellschaftlichen Randgruppen, haben eine Ökumene der sakralen Abstinenz bewirkt. Gleichzeitig nimmt der Glaube an absonderliche Götter, UFOnauten und Wesenheiten sprunghaft zu. Der Markt alleinseligmachender Sekten und Psychogruppen floriert. Verlautbarungen wie "Dominus Iesus", die entgegen dem Aufschrei der Friedensbewegten vollkommen auf dem Boden des Modernismus stehen (siehe: www.fsspx.de/dominus-jesus.htm ), gleichen einer Krebsbehandlung mit Kopfschmerztabletten.

Ein echter Katholik wird dadurch allerdings seine Hoffnung nicht verlieren. Er weiß, daß die Auserwälten seit jeher feststehen: Er weiß, daß in Rom der Antichrist herrschen wird, und er weiß, daß vor der Auferstehung immer der Kreuzestod steht. Außerdem weiß er auch, daß Jesus Christus kein Demokrat war.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen