© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Blick in die Medien
Drogen-Daum
Ronald Gläser

"Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe." Dieser Satz von Christoph Daum könnte zum Ausspruch des Jahres werden. Seit das Ergebnis der Kokainanalyse bekannt geworden ist, lassen Kommentatoren in Funk und Presse kein gutes Haar an dem Bayer-Trainer. Jemand mit "Milieu-Kontakten" und extensivem Drogenkonsum taugt nicht in der Vorbildfunktion an der Spitze unserer Fußball-Nationalmannschaft.

Trotzdem wirft die Kampagne gegen Daum ein schlechtes Licht auf die beteiligten Medien. Zuerst haben sie das Thema, das besser unter Ausschluß der Öffentlichkeit geklärt worden wäre, beträchtlich breitgetreten. Es war beinahe so, als wollten Sportredakteure auch mal ohne Rücksicht auf die Familie des Duisburgers über Prominentenskandale berichten. Dann beschuldigte Uli Hoeneß, der die entsprechenden Verdächtigungen in die Welt gesetzt hatte, die Medien, weil sie das Thema über Gebühr ausreizen würden. Sämtliche beteiligten Kollegen sahen sich deswegen in ihrer Ehre getroffen, und die Kommentarspalten waren auf einmal voll mit Kritik an Hoeneß. Daum wurde explizit gegen die Münchner Stimmungsmache in Schutz genommen

Als nun Daums Haaranalyse bekannt- wurde und der 47jährige die Flucht ins Ausland antrat, reagierte die übergroße Mehrzahl der Journalisten wie enttäuschte Verehrer. Christoph Daum mutierte über Nacht zum "Lügner" oder bestenfalls zu einem "Schwerkranken, dem man helfen müsse". Die Heuchelei rund um den designierten Bundestrainer ist schlimmer als seine Lüge.


 
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