© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/00 03. November 2000

 
"Wir müssen konsequent sein"
Junge Union: NRW-Landeschef Ralf Brauksiepe über das geplante NPD-Verbot, die Instrumentalisierung und das Ende des antitotalitären Konsens
Moritz Schwarz

Herr Dr. Brauksiepe, vergangene Woche haben sich Bund und Länder auf einen Verbotsantrag gegen die NPD geeinigt. Betrachten Sie diesen Weg als richtig, oder halten Sie eine politische Auseinandersetzung für notwendig?

Brauksiepe: Man darf natürlich nicht auf die politische Bekämpfung verzichten. Das ist es, was mich an der Debatte etwas beunruhigt, daß die Frage "Verbotsantrag"– mit bekanntlich noch ungewissem Ausgang – etwas zu sehr im Vordergrund steht. Wenn die NPD die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt, bin ich allerdings durchaus dafür, konsequent zu sein.

Ist es nicht oberflächlich anzunehemen, die NPD wird verboten und alles ist gut?

Brauksiepe: In der Tat werden die politischen Aktivisten der NPD mit einem Verbot nicht von der Bildfläche verschwinden, sondern sich natürlich andere Parteien und Organisationen suchen. Zudem wird erstmal einige Zeit vergehen, bis es überhaupt zu einem eventuellen Verbot kommt.

Der Vorschlag Günter Becksteins, die NPD verbieten zu lassen, kam infolge des Bombenanschlages von Düsseldorf. Wer diesen Anschlag eigentlich verübt hat, ist aber nach wie vor völlig unklar.

Brauksiepe: Herr Beckstein hat nicht vorschnell Rechtsradikale für den Düsseldorfer Anschlag verantwortlich gemacht. Die Urheberschaft ist ja tatsächlich bis heute unbekannt.

Aber dennoch wurde auf diese Weise die NPD unterschwellig für etwas verantwortlich gemacht, das völlig ungeklärt ist. Das gibt der Partei nicht nur die Möglichkeit, zu Recht zu beklagen, sie würde als Sündenbock mißbraucht, sondern mißachtet auch die Interessen der Menschen, die unter der rechtsextremen Gewalt in Deutschland leiden müssen. Denn die Verbotsdebatte, mit der sich nun alle mit Vorliebe beschäftigen, bringt ihrer Sicherheit gar nichts. Die Angst bleibt.

Brauksiepe: Ja, natürlich – allerdings schützen wir diese Menschen auch nicht, wenn wir darauf verzichten, verfassungsfeindliche Parteien zu verbieten.

Inzwischen wird schon über das Verbot weiterer Parteien diskutiert. Ist nicht genau das eingetreten, was liberale Kritiker des Verbotsantrages befürchtet haben, daß nun zu lax mit einer der Grundfesten unserer Demokratie umgegangen wird?

Brauksiepe: Das ist natürlich eine Abwägungsfrage. Allerdings beantwortet sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit aus dem Gesetz. Das Gesetz stellt für ein Parteienverbot hohe Hürden auf. Über andere Parteien müssen die Verfassungsschützer urteilen. Das ist keine dogmatische Frage, nach dem Motte "alle oder keine". Wenn natürlich Extremisten aus einer verbotenen NPD in solche Parteien ausweichen, darf man sich nicht an der Nase herumführen lassen.

Im Zuge des "Kampf gegen Rechts" heißt es, der Rechtsextremismus müsse bis hinein "in die Mitte der Gesellschaft" bekämpft werden, denn dort wurzle er ja. Sehen Sie die Gefahr, daß der "Kampf gegen Rechts", wie der Name schon nahelegt, wirklich "gegen Rechts", also gegen den rechten Flügel der Demokratie mißbraucht wird?

Brauksiepe: Die CDU ist die Partei der Mitte, aber natürlich verkennen wir überhaupt nicht, daß die rot-grüne Regierung versucht, diesen Kampf gegen uns zu instrumentalisieren. Es ist keine Frage, daß dies bereits paßiert. Eben schon dadurch, daß die Regierung systematisch die Begriffe "rechts", "rechtsextrem" und "rechtsradikal" gleichsetzt. Diese Versuche sind erkennbar, und wir setzen uns dagegen zur Wehr. Daß Rot-grün auf dem linken Auge blind ist, ist ja nichts Neues, und die Annäherung der SPD an die PDS bestätigt das leider nun erneut. Bedenken Sie, die frühere Juso-Bundesvorsitzende denkt bereits offen über Fusionen in diese Richtung nach! Wir können da immer wieder nur unseren Standpunkt klarmachen: Wir lehnen als Partei der Mitte den Extremismus um des Extremismus Willen ab und fragen nicht, ob er von rechts oder links kommt.

Dann hat die SPD den antitotalitären Konsens in Deutschland zugunsten eines antifaschistischen Konsens aufgekündigt?

Brauksiepe: Rot-rote Koalitionen oder Tolerierungsmodelle wie in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt sind für mich mit dem antitotalitären Grundkonsens nicht vereinbar.

Warum wird das verhängnisvolle destabilisierende Verhalten der SPD in dieser Sache nicht ernsthafter von der Union angeprangert?

Brauksiepe: Das tun wir, da können Sie ganz sicher sein. Gerade die Junge Union hat da keinen Nachholbedarf. Wir werden übrigens das Verhalten der SPD nicht mit einem Abrücken vom antitotalitären Konsens in die andere Richtung beantworten, wir halten unbedingt am demokratischen Konsens fest.

Die NPD reklamiert für sich das Image, die Partei der Jugend zu sein. Was hält die Junge Union dem entgegen?

Brauksiepe: Wir werben natürlich offensiv für die Ziele und Ideale des christlich geprägten, demokratischen Rechtsstaates und die politische Mitte.

Was hat man in der JU als Ursache für den Zulauf vor allem Jugendlicher zur NPD ausgemacht?

Brauksiepe: Das ist ein Konglomerat von Gründen. Da stecken viele Einzelschicksale dahinter. In den neuen Ländern hat es natürlich auch mit dem Erbe der DDR zu tun. Dazu kommt Gruppenbildung sowie Protesthaltung gegen alles Etablierte.

Wie stehen Sie zu der These, daß gewisse Politikfelder in der Bundesrepublik in verantwortungsloser Weise nicht demokratisch besetzt sind und damit dem Radikalismus überlassen werden, etwa das Thema Einwanderung.

Brauksiepe: Nein, ich sehe nicht, daß wir ganze Themenbereiche der Bevölkerung vorenthalten. Das ist das, was unsere linken politischen Gegner gelegentlich versuchen, indem sie über manche Themen Tabus verhängen. Das lassen wir uns aber nicht
gefallen.

Könnte das Konzept der "Leitkultur" nicht dazu beitragen, in Zukunft vor Extremismus zu schützen, weil es Deutschen wie Ausländern hier endlich eine gemeinsame Grundlage gibt?

Brauksiepe: Friedrich Merz hat in der Sache genau das Richtige angesprochen. Wir haben eine bestimmte freiheitliche Kultur, dazu kann man sich schon offen bekennen, wenn auch nicht in Abgrenzung zu anderen. Und eine Debatte darüber dürfen wir uns nicht verbieten lassen. Moritz Schwarz

 

Dr. Ralf Brauksiepe geboren 1967 in Hattingen. Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 1996 ist er Landesvorsitzender der Jungen Union in NRW und seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages.

 

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