© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/00 03. November 2000

 
Zeitschriftenkritik: Ästhetik und Kommunikation
Intellektuelle Grenzgänge
Werner Olles

Im 31. Jahrgang erscheint die Berliner Vierteljahresschrift Ästhetik und Kommunikation mit einem Umfang von jeweils rund 125 Seiten. Jenseits postmoderner Flachheit verfolgt man hier die hoffnungsvollen kulturellen und politischen Aufbrüche, die geistigen Strömungen in Theorie und Praxis, die die vergangenen dreißig Jahre seit der 68er-Bewegung maßgeblich prägten und die sich am Ende allesamt als trügerisch erwiesen haben. Bevor jedoch die Rückkehr in die vertraute Einsamkeit den Blick auf elementare und wesentliche Details verstellt, wird die neue Lage analysiert und ohne die übliche linke Larmoyanz dem Leser präsentiert.

Ästhetik und Kommunikation ist bekannt dafür, Themen früh aufzugreifen, so daß man einst gar das Wort "Trüffelschwein" gehört hat. Dabei handelt die Zeitschrift mit klugen Texten die Probleme nicht in vorschnellen Kategorien wohlfeiler Moral ab, sondern versucht die Zeichen der veränderten Verhältnisse nüchtern und objektiv zu deuten. So werden zum Beispiel aus politisch-ökonomischer Sicht die vielen Gesichter der Globalisierung untersucht, Strukturen, Begriffe und Konzepte reflektiert, um mit offenem Blick nach draußen gewagt das Phänomen zu thematisieren.

Ästhetik und Kommunikation hat sich relativ früh von der linken Lagerkultur verabschiedet und avancierte zu einem Organ der politischen Intelligenz, dessen lässig-balancierende Analysen manche berechtigten Zweifel und Skrupel gegenüber der Postmoderne nährten. Interesse und Neugier der Autoren ließ jedoch eine Tradition intellektueller Grenzgänge entstehen, die für die klassische Linke wahrlich nicht typisch ist. Der Frage, warum Politik zunehmend durch Moral ersetzt wird, ist in dieser Schärfe und Klarheit zum Beispiel noch keine andere linke Zeitschrift nachgegangen. Und wenn Dieter Hoffmann-Axthelm, einer der Herausgeber und Redakteure der Zeitschrift, im Editorial "Neue Lage – neue Lager" den "Alarmismus der Medien" und das "intellektuelle Umfeld der Politik" gleichermaßen ironisiert und statt dessen empfiehlt, sich "mit der eigenen Ratlosigkeit" zu beschäftigen, kann man ihm eigentlich nur bedingungslos zustimmen. Auch daß das Parteimodell und der Parteienstaat zerfallen, ist wohl unstrittig, während seine These, daß es "keine linke Politik ohne Prinzipien geben (kann)", doch recht angreifbar, wenn nicht gar widerlegt ist durch die alltägliche Prinzipienlosigkeit der rot-grünen Konzepte, in denen sich der völligen Denkverzicht eingenistet hat.

Die moralische Linke entpolitisiert sich derweil weiter, ihre Zersetzungsformen gruppieren sich anderweitig neu, das PDS-Potential wird irgendwann mit entsprechenden westdeutschen Stimmungen fusionieren. Erst dann sei auch in Deutschland Platz für jenen "rechtsregionalistischen Populismus, wie er im Augenblick die Alpenanrainerstaaten beschäftigt", schreibt Hoffmann-Axthelm. Andererseits könne dieser aber auch als "neues symbolisches Kapital" dienen, "Europa auch von innen als antifaschistisches Projekt zu deklarieren". Ein nicht zu unterschätzender und durchaus diskussionswürdiger Gedanke.

Verlag Ästhetik und Kommunikation e.V., Wallstr. 60, 10179 Berlin. Einzelpreis 20 DM, Jahresabo 76 DM


 
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