© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
Keinen weiteren Yen Entschädigung
Großbritannien: Die britischen Kriegsgefangenen der Japaner sollen jetzt von ihrer Regierung 10.000 Pfund bekommen
Ivan Denes

Britische Veteranen, die in japanischer Kriegsgefangenschaft unter schwierigsten Bedingungen zu Zwangsarbeit gezwungen wurden, werden jetzt von der britischen Regierung eine Wiedergutmachung erhalten. Das hat Premierminister Tony Blair bekanntgegeben. Bei dieser über Jahrzehnte hinweg verzögerten Zusage handelt es sich offenkundig um einen Domino-Effekt der jüdischen Restitutions- und Wiedergutmachungsforderungen der letzten Jahre. Die britischen Kriegsveteranen haben praktisch seit Ende des Zweiten Weltkrieges versucht, ihre Kompensationsforderungen durchzusetzen – stoßen aber auf den erbitterten Widerstand der britischen Bürokratie, des berüchtigten "civil service". Viele tausend Veteranen sind in den Jahren des Gerangels mit der Ministerialbürokratie natürlich verstorben.

Die genauen Angaben über die bevorstehenden Kompensationszahlungen soll Schatzkanzler Gordon Brown im Rahmen seiner vorparlamentarischen Darstellung des kommenden Haushaltes am 8. November bekanntgeben.

Die Veteranenorganisation Royal British Legion erklärte nach der Bekanntgabe Blairs, sie hoffe, die britische Regierung werde dem Beispiel Kanadas und der Lokalregierung der Insel Man folgen – den dortigen Veteranen wurde eine Pauschalzahlung von pro Kopf 10.000 Pfund Sterling zugesagt – das ist mehr als 30.000 Mark.

In Großbritannien (außer der Insel Man) leben zur Zeit noch 5.654 ehemalige Kriegsgefangene der Japaner und 4.663 Witwen von Kriegsgefangenen. Sollte die Regierung Blair tatsächlich, wie gefordert, dem kanadischen Beispiel folgen, würde das eine Summe von mehr als 100 Millionen Pfund (320 Millionen Mark) ergeben.

Der Sprecher der Royal British Legion, Jeremy Lillies, äußerte sich sehr kritisch zur Verzögerungstaktik Tony Blairs. Der Premier hatte sich schon im April diesen Jahres mit Vertretern der Organisation getroffen und die prinzipielle Zusage für die Kompensationszahlungen gegeben. Seitdem aber sterben im Durchschnitt zehn Veteranen pro Woche. Das bedeutet, daß inzwischen etwa 300 Veteranen verschieden sind, folgerichtig würde die Regierung etwa drei Millionen Pfund durch ihre Verzögerungstaktik gespart haben. Eine etwas düstere Milchmädchenrechnung.

Unter den Bestimmungen des Friedensvertrages von San Francisco mit Japan – er wurde 1951 unterzeichnet – wurde den ehemaligen Kriegsgefangenen eine einmalige Wiedergutmachungssumme von 76 Pfund zugesagt und ausgezahlt. Der Friedensvertrag schloß weitere Zahlungen der japanischen Seite aus. Japanische Gerichte haben demzufolge auch alle späteren Klagen abgeschmettert.

Moralisch gesehen müßte das britische Vorbild auch in Deutschland Schule machen. Die britische Regierung übernimmt die finanzielle Kompensationslast für Leiden, die ihren Staatsangehörigen von einem Feindstaat zugefügt wurden, weil ein völkerrechtlich geltender Vertrag die Kompensation seitens des ehemaligen Feindes ausschließt. Ebenso illusorisch wäre es, mit Reparationen Rußlands oder etwa der Tschechei für die Leiden deutscher Zwangsarbeiter in tschechischen Uranminen oder in sibirischen Waldrodungen zu rechnen.


 
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