© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/00 17. November 2000

 
Ab 2004 noch 280.000 Millionen Soldaten
Bundeswehr: Die Kommandeurtagung in Leipzig drehte sich um Wehrpflicht, Auslandseinsätze und die Satellitenüberwachung
Magnus Freitag

Es ist ungewöhnlich, daß innerhalb eines Jahres zwei Kommandeurtagungen der Bundeswehr durchgeführt werden. Die 38. Kommandeurtagung am 13. /14. November in Leipzig stand unter dem Motto: "Bundeswehr im XXI. Jahrhundert. Wir gestalten die Zukunft". Zwischen beiden Tagungen lag jedoch die Ankündigung der Bundeswehrreform und das Einschwören der Bundeswehrführung auf den neuen Kurs.

Der neue Generalinspekteur der Bundeswehr, General Harald Kujat, kündigte die bereits von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) initiierte eigene Satellitenüberwachung bis zum Jahr 2005 an. Mit einem militärischen Überwachungssatelliten will sich Deutschland nachrichtendienstlich von den USA unabhängig machen und dazu beitragen, sich ein eigenes Bild über die Lage in möglichen Einsatzländern zu machen.

Kujat betonte auch, daß die strategische Verlegefähigkeit und taktische Mobilität zentrale Elemente des neuen Fähigkeitsprofils der Bundeswehr seien. Damit sollten die Streitkräfte zu einem hochwirksamen Instrument der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik werden. Unklar dagegen bleibt die Frage nach der Sicherheitspolitik in Deutschland. Obwohl Scharping bereits vor zwei Monaten ankündigte, genaue Zahlen über mögliche Standortschließungen vorzulegen, herrscht über diese Frage weitgehend Unklarheit.

Scharpings angekündigte Flexibilisierung von Laufbahnen sowie ein Modell, nach dem Offiziere künftig früher in den Ruhestand treten können, werden jedoch schon bald Realität.

Kujat sprach davon, daß sich hundert Offiziere ab 2003 schon mit 50 Jahren zur Ruhe setzen können. Bis 2004 soll eine Truppenstärke von 284.000 Soldaten erreicht werden.

Erneut wurde in Leipzig die Wehrpflicht diskutiert, die ab 2002 auf nur neun Monate reduziert wird. Bundespräsident Johannes Rau bekannte sich am Dienstag ausdrücklich zu der neuen Rolle der Bundeswehr, die jedoch die Wehrpflichtarmee beinhalte. Er forderte, daß sicherheitspolitische Weichen in Deutschland nicht durch Gerichte gestellt werden dürften. Damit meint Rau die von den Liberalen gestellte Frage nach der Wehrgerechtigkeit. Sollte nämlich vor dem Bundesgerichtshof dagegen geklagt werden, daß in Zukunft noch selektiver eingezogen wird als bisher, könnten
die Folgen eines Richterspruchs das Ende der Wehrpflicht bedeuten.

Weiter kritisierte der Bundespräsident die Verwendung von Streitkräften für zivile Zwecke, wie den Brunnenbau oder den ersatzweisen Einsatz in Verwaltungs- und Polizeistrukturen.

Es dürfe keine Gewöhnung an militärische Einsätze geben, warnte Rau weiter. Ein solcher Einsatz dürfte nur die ultima ratio darstellen. Moderne Sicherheitspolitik müsse in erster Linie an den Ursachen der Friedensgefährdung ansetzten.

Der Chef des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, kritisierte nach der Aussprache, daß es zwar viele Ankündigungen, aber sehr wenige Fortschritte gebe. Bei einigen Teilnehmern blieben Zweifel am Zeitplan und der Finanzierbarkeit der Reform bestehen. Trotz bestehender Risiken rief der oberste Militär jedoch dazu auf, zuerst die Chancen zu sehen. Der Mut zum kritischen Einwand sei zwar gefragt, einmal getroffene Entscheidungen müßten aber loyal vertreten werden.


 
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