© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/00 24. November 2000

 
Vom Aufstand zum Terror
Berlin: Übergriffe gewaltbereiter Autonomer gegen Republikaner-Kreisverbandssitzung
(JF)

Am 14. November, fünf Tage nach der Massendemonstration "Gegen rechte Gewalt" in Berlin, hat eine Gruppe von schwarzgekleideten Autonomen ein Lokal im Stadtteil Kreuzberg überfallen und mit Pflastersteinen und Feuerwerksmunition einen hohen Sachschaden verursacht, weil sie dort eine Gruppe des Republikaner-Kreisverbandes vermuteten.

Die Stammgäste sind meist ältere Berliner. Heute wird das Vereinszimmer des Lokals von Kleinstverbänden verschiedener Parteien genutzt. Meist reicht ein größerer Stammtisch aus – neben der SPD trifft sich hier auch eine kleinere Gruppe von fünf bis zehn Republikanern einmal wöchentlich zu einer Sitzung. Auch andere, nicht politische Organisationen wie eine Gruppe der nahegelegenen evangelischen Kirche, nutzen die Räumlichkeit.

Das Treffen der Republikaner begann wie jeden Dienstag um 19 Uhr, anwesend waren etwa zehn meist ältere Leute. Im Schankraum herrschte normaler Kneipenbetrieb, an der Theke bzw. an einem großen Tisch an einem der Fenster saßen zumeist ältere Kreuzberger. Einige Gäste wurden auf einen schwarzgekleideten, langhaarigen Mann auffällig, der zuvor hier noch nicht als Gast gesehen worden war. Kurz nachdem dieser zwischen 19.15 und 19.30 Uhr das Lokal verlassen hatte, klirrten im Vereinszimmer die Scheiben. Eine Gruppe von etwa 20 schwarzgekleideten Autonomen warf Pflastersteine durch die Fenster des Vereinszimmers auf die Gäste und versuchte, die dortigen Fensterbretter und -rahmen aus der Verankerung zu reißen.

Die vornehmlich Kreuzberger Rentner mußten sich auf den Boden werfen. Die Wirtin kam noch bis zur Eingangstür, als ihr auch durch das dortige Glasfenster ein großer Stein entgegenflog. Zudem wurden Reizgasgranaten im Eingangsbereich entzündet. Einer der in Deckung gegangenen Stammgäste verbarrikadierte sich mit Tischen und Stühlen und alarmierte per Handy die Polizei. Die meisten anderen Gäste versuchten sich in den hinteren Flur- und Küchenbereich in Sicherheit zu bringen.

Der Angriff dauerte etwa fünf Minuten, danach flüchteten die Attentäter in Richtung Landwehrkanal. Obwohl gleichzeitig noch von mehreren Anwohnern alarmiert, kam die Polizei mit nur einem Funkwagen mit zwei Beamten, die dann die Feuerwehr und ein paar Kollegen zur Unterstützung anforderten. Die Feuerwehr löschte einen kleinen Schwelbrand und versuchte, das Reizgas mit einem Ventilator aus dem Raum zu treiben. Bei der Vernehmung der Anwesenden durch die Polizei stellte sich heraus, daß die Autonomen den Angriff geplant haben mußten, denn ein Stammgast hatte einen Tag zuvor bemerkt, daß nahe des Lokals eine größere Fläche von Pflastersteinen aufgewühlt worden war.

Mehr als eine knappe Erwähnung in den Regionalnachrichten im Fernsehen und zwei Fünf-Zeilern in der B.Z. und der Bild-Zeitung war nicht durchgedrungen, dazu noch mit der spöttischen, weil zweideutigen Überschrift in Bild: "Gestörte Republikaner". (JF)


 
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