© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/00 24. November 2000

 
Ein Aufschrei bleibt aus
Leipzig: Hundert Gräber geschändet / Überregionale Medien berichten nichts
Steffen Königer

Auf dem Leipziger Südfriedhof sind am Volkstrauertag um 10.30 Uhr von einem Friedhofsmitarbeiter 101 umgestürzte Grabsteine aufgefunden worden, sechs Abteilungen des Friedhofes sind betroffen. Schmierereien, die auf irgendeine Motivation schließen ließen, gab es nicht, die Täter sind weiterhin unbekannt. Trotzdem ging kein Aufschrei durch die großen Zeitungen, kein Bundeskanzler rief zum "Aufstand der Anständigen" auf und keine Demonstration wurde angekündigt. Wichtiger schien die Meldung, daß am Sonntag eine Kranzniederlegung auf dem Delitzscher Friedhof bei Leipzig "kurzfristig abgebrochen" werden mußte, weil etwa 20 Personen "aufmarschierten", die "nach ihren mitgeführten Symbolen der rechten Szene" zuzuordnen gewesen seien.

Es war nicht der erste Vorfall dieser Art in der sächsischen Metropole. Bereits in der Nacht zum 30. September wurden auf demselben Friedhof insgesamt 143 Grabsteine vollkommen wahllos umgeworfen. Der Staatsschutz ermittelt nun, ob ein Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen besteht. Auf das Delikt "Sachbeschädigung und Störung der Totenruhe" sieht der Gesetzgeber einen Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.

Bestimmte Ziele gab es bei beiden Schändungen nicht, sagte der Sachbearbeiter für Grundsatzfragen im Grünflächenamt, Jens Schmidt, auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT. Die Täter hätten wahllos regelrechte Schneisen in den Friedhof geschlagen. Zwar wurde in der Regionalpresse darüber berichtet, aber den überregionalen Medien waren diese Taten offenbar keine Meldung wert – ein betrübliches Zeichen.


 
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