© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/00 24. November 2000

 
Holländische Siedler in der Puszta
Ungarn: Finanzstarke EU-Unternehmer und Immobilienkäufer verunsichern Volk und Politik
Alexander Barti

In den letzten Wochen ist in Ungarn ein Streit entbrannt, der die Mitte-Rechts-Koalition zerbrechen könnte. Es geht um die Ansiedlung von 10 bis 20 holländischen Schweinezüchtern in Ungarn. Landwirtschaftsminister József Torgyán, der gleichzeitig Chef der Kleinlandwirtepartei (FKGP) ist, dementierte auf Anfrage vehement, daß er eine entsprechende Vereinbarung mit seinem holländischen Kollegen Laurens-Jan Brinkhorstgetroffen habe.

Die rechte Opposition im ungarischen Parlament, die sich gegen die freie Niederlassung ausländischer Landwirte ausspricht, ist der Sache auf den Grund gegangen und fand peinliche Gegenbeweise. In einer Mitteilung des Algeemen Nederlands Pressbureau vom 22. August war zu lesen, daß "(...) wahrscheinlich 10 bis 20 Schweinezüchter ihre Arbeit in Ungarn beginnen werden. Mit holländischer Technik und mit aus Holland importierten Spermien sollen die Betriebe gestartet werden. Minister Brinkhorst – Mitglied der linksliberalen Partei D‘66 – hat mit seinem konservativen Kollegen Torgyán geklärt, daß die ersten Machbarkeitsstudien nächste Woche beginnen können". Außerdem konnte man in der Mitteilung noch lesen, daß man in Ungarn für einen Hektar Land zwanzigmal weniger zahlen muß als in Holland. In Ungarn gibt es zu viele landwirtschaftlich ungenutzte Flächen und zu wenig Schweinezüchter, sagte Brinkhorst, der auch auf die holländischen Erfolge im Bereich der nach Ungarn exportierten Obstplantagen verwies.

Daß Ungarn nicht mit genügend Schweinefleisch versorgt sei, ist schlicht eine Unterstellung. Auf dem Land hat fast jeder Haushalt seine ein oder zwei Schweine im Stall, die den Jahreskonsum der Familie an Fleisch sicherstellen. Es geht beim Import von holländischen Schweinezüchtern nebst ihrer Technik also nicht um die Lösung eines Versorgungsproblems. Der holländische Vorteil liegt auf der Hand: Die Niederlande selbst werden entlastet, indem die Gülle von mehreren tausend Schweinen nicht mehr auf ihre Felder fließt, gleichzeitig erschließt man sich einen neuen Markt, nicht nur durch die "wettbewerbsfähige" Produktion von Fleisch, sondern vor allem durch die Verbreitung spezifischer Züchtungstechnologien, die ausschließlich der holländischen Wirtschaft zugute kommen. Die Ungarn können bei diesem Geschäft hingegen nur verlieren: Durch die schon pervers zu nennende intensive Landwirtschaftsindustrie wird das holländische Fleisch so billig, daß sich die private, extensive – und daher sehr umweltverträgliche – Haltung von ein bis zwei Schweinen nicht mehr lohnt. Des weiteren werden landwirtschaftliche Flächen an kapitalstarke Ausländer verkauft, so daß die Landpreise anziehen und dadurch die heimischen Bauern keine Chance auf Vergrößerung ihrer eigenen Betriebe haben. Torgyán, der mit seiner Partei vor allem die Interessen der kleinen Landwirtschaftsbetriebe vertritt, ist wegen der aufgedeckten Vereinbarung mit Holland unter schweren politische Beschuß von links und rechts geraten, zumal er in der Anfangsphase des Skandals behauptet hatte, von der ganzen Sache nichts zu wissen. Nun behauptet er wenig glaubhaft, daß es sich nur um einen harmlosen Versuch handelt, der keine Schule machen wird. Allerdings sind die Ungarn zunehmend kritisch, was den Verkauf von Immobilien und Land an Ausländer angeht, denn vor allem in Westungarn und in der Plattensee-Region gibt es schon Dörfer, in denen Deutsche, Österreicher und Holländer die Mehrheit stellen, ein Prozeß, der nach dem EU-Beitritt nur noch stärker zu beobachten sein wird.

Die rechte Opposition im ungarischen Parlament (MIÉP), die sich mit Attacken gegen die konservative Regierung zurückhält, hat in diesem Fall keine Rücksicht genommen. Csaba Lentner, wirtschaftspolitischer Sprecher der "Ungarischen Lebens- und Wahrheitspartei" MIÉP stellte klar, daß Ungarn kein Interesse an umweltschädigenden Schweinezüchtern habe, und auch einer drohenden Überproduktion wolle man sich entgegenstellen.


 
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