© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/00 24. November 2000

 
Blick in die Medien
Insiderhandel
Ronald Gläser

Der Betriebsrat des Handelsblatts ist jetzt endgültig vor dem Arbeitsgericht gescheitert. Die Redakteure müssen ihre Aktiendepots offenlegen. Der Verlag will verhindern, daß die Redakteure durch das bewußte Lancieren bestimmter Meldungen die Kursentwicklung bestimmter Papiere aus Eigeninteresse beeinflussen. Der Betriebsrat sieht in der Offenlegung eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Wer hätte je gedacht, daß ein Betriebsrat die Rechte der Aktionäre verteidigen würde? Natürlich ist denkbar, daß Redakteure, gerade bei Finanzzeitungen wie dem Handelsblatt, der Versuchung erliegen, besonders positive Nachrichten über das eigene Unternehmen zu verbreiten. Bei speziellen Börsenbriefen wie Prior, Platow oder Actienbörse kann man sogar davon ausgehen, daß die Herausgeber so verfahren. Die Analysten wären ja auch unglaubwürdig, wenn sie eine Aktie empfehlen würden, die sie nicht selber auch ins Depot legten. Wirklich bedenklich: wenn das Unternehmen selbst Falschmeldungen lanciert, um den Kurs zu manipulieren. Beispiel ist die Informatec AG. Die Firmengründer und Vorstandschefs waren gefeierte Stars der New Economy und wußten von immer neuen Großaufträgen und Umsatzsteigerungen zu berichten. Die Medien nahmen diese Meldungen kritiklos entgegen. Die Aktien stiegen, und die beiden Unternehmer verkauften immer mehr Anteile. Doch damit verstrickten sie sich in immer neue Lügen und wanderten jetzt wegen Kursbetrug und Insiderhandel hinter schwedische Gardinen. Sic transit gloria mundi.


 
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