© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
Schwerter statt Kerzen
Niedersachsen: Junge Union debattiert über Innere Sicherheit / Verfassungsschützer äußert sich zur JUNGEN FREIHEIT
Christian Vollradt

Mit einem Forum zur Innenpolitik hat die niedersächsische Junge Union (JU) am vergangenen Samstag ihre Veranstaltungsreihe "Wehrhafte Demokratie" abgeschlossen. In der Reihe vorausgegangen waren im Mai dieses Jahres eine Tagung über Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der sogenannte Anti-68er-Kongreß am 28./29. Oktober (die JF berichtete).

Vor den etwa neunzig Teilnehmern, die der JU-Landesvorsitzende Gerold Papsch im niedersächsischen Landtag begrüßen konnte, referierte zunächst der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm zum Thema "Innere Sicherheit – Eckpfeiler für eine wehrhafte Demokratie".

Der Minister ging anhand von Beispielen aus seinem Zuständigkeitsbereich besonders auf die kritischen Punkte Jugendkriminalität und Rechtsextremismus ein. Dabei ließ er keinen Zweifel an seiner ablehnenden Haltung gegenüber der sogenannten Kampagne gegen Rechts: "Betroffenheitsarien helfen nichts. Rechte Positionen gehören selbstverständlich in eine politische Auseinandersetzung, der Rechtsextremismus muß bekämpft werden. Wir müssen die Kerze beiseitelegen und das Schwert des Rechtsstaates in die Hand nehmen!" forderte der Minister und erntete langanhaltenden Beifall der Zuhörer. Die derzeitige Diskussion um den Rechtsextremismus ist nach seiner Ansicht nicht durch Fakten gedeckt: In Brandenburg sei ein Rückzug derartiger Gewaltdelikte von 570 im Jahr 1997 auf 270 im Jahr 1999 zu verzeichnen. Erfolgversprechend sei nur ein Zusammenspiel von Prävention und konsequenter Repression.

Die Debatte um die deutsche Leitkultur erachtet Schönbohm für dringend notwendig, denn es gelte zu klären, "wie wir uns als Nation sehen". Autochthone Bevölkerung und Einwanderer benötigten ein "Miteinander auch jenseits der Gesetze". Scharf geißelte er die Versuche, Themen zu tabuisieren: "Die Diskussionshoheit liegt bei den Wählern." Vertrauen in den Staat hätten die Bürger nur dann, wenn die Einheit von Rechtssicherheit und Rechtsbewußtsein funktioniere, so der Innenminister.

Während der anschließenden Podiumsdiskussion machte die Vorsitzende der Landtagsfraktion der Grünen, Rebecca Harms, die Trennlinien zwischen Schwarz und Grün deutlich. Sie kritisierte die Fixierung der Union auf die Organe der inneren Sicherheit als hinderlich: "Der Ruf nach dem starken Staat ist ein Zeichen von Hilflosigkeit", so die Grünen-Politikerin. Allerdings stimmte sie Schönbohm zu, daß es eine Tabuisierung von Wahlkampfthemen nicht geben dürfe.

Bernd Busemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, betonte in seiner Stellungnahme den wichtigen Beitrag von Vereinen bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität und Gewaltbereitschaft. Das ehrenamtliche Engagement von Bürgern sei diesbezüglich für die Gesellschaft wertvoller als "bei schönem Wetter in Berlin den Aufstand der Anständigen zu proben", so Busemann.

In einem Arbeitskreis erläuterte Hans-Rüdiger Hesse, Pressesprecher des niedersächsischen Verfassungsschutzes, die verstärkte Nutzung des Internets durch extremistische Organisationen. Insbesondere neonationalsozialistische Gruppierungen nutzten dieses Medium zur Verbreitung volksverhetzender Propaganda und stellten ein erhebliches Gefährdungspotential dar. Den Zuhörern präsentierte er dazu Beispiele und verdeutlichte die Schwierigkeiten bei der Verfolgung der Täter: Da ohne großen technischen oder logistischen Aufwand inkriminierte Inhalte auf ausländische Server verlegt werden könnten, entziehe man sich der Verfolgung durch deutsche Behörden. Eine internationale Zusammenarbeit sei kaum möglich, weil in anderen Ländern keine Strafbarkeit vorliege und die Server Anonymität garantierten.

In der anschließenden Diskussion auf mögliche Kompetenzüberschreitungen der Verfassungsschutzämter angesprochen, erwiderte Hesse, man könne in der Tat bezweifeln, ob es sinnvoll und zweckmäßig für einen Verfassungsschutz sei, die JUNGE FREIHEIT zu beobachten. Eine darüber hinausgehende Kritik am Vorgehen der nordrhein-westfälischen Kollegen ließ er jedoch nicht verlauten.

Dem vielfach geäußerten Wunsch, die Union müsse ihr Profil als "Partei der Inneren Sicherheit" schärfen, verlieh das dem Forum zugrundegelegte Diskussionspapier Ausdruck.

Darin fordert der Landesvorstand der Jungen Union unter anderem ein klares Bekenntnis zum staatlichen Gewaltmonopol, den Einsatz des Verfassungsschutzes gegen die Organisierte Kriminalität und eine Null-Toleranz-Strategie gegen Jugendkriminalität und - gewalt sowie eine konsequentere Ausschöpfung des Jugendstrafrechts. Eine klare Absage wird der einseitigen Ausrichtung des Verfassungsschutzes gegen den Rechtsextremismus erteilt. Verurteilt werden Regierungsbündnisse mit der PDS, die nach Maßgabe der Jungen Union "beobachtungswürdig ist, solange sie sich nicht von offensichtlich extremistischen Strömungen in den eigenen Reihen trennen will". Ob die im Papier erhobene Forderung nach einer gesetzlichen Neuregelung zugunsten von Bundeswehreinsätzen im Innern gegen die "Bedrohung durch den sog. Superterrorismus", der Massenvernichtungsmittel besitzt, eine Mehrheit finden wird, bleibt abzuwarten.

Ihrer im Rahmen der Veranstaltungsreihe vorherrschenden Neigung zur wohldosierten Provokation ist die Niedersachsen-JU jedenfalls treu geblieben. Die eigenen Reihen ermutigend heißt es in der Schlußbemerkung: "Eine auf unsere Thesen praktisch eingestellte Kriminal- und Sicherheitspolitik erfordert politisch einen langen Atem und die Überwindung immer wieder dagegen gerichteter Polemik."


 
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