© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
Ein asiatischer Premierminister
Großbritannien: Der multikulturelle Schmelztiegel ist am Brodeln / Labour und Tories wetteifern um farbige Wähler
Derek Turner

Tony Blair scheint den Schwachsinn wirklich zu glauben, den er öffentlich verbreitet. Als er vor einem britisch-asiatischen Publikum erklärte, er freue sich auf den Tag, an dem ein Asiate Premierminister von Großbritannien würde, da warb er nicht nur um asiatische Wähler und deren Geld. Er meinte es ernst. Für ihn ist Großbritannien ein Unternehmen mit austauschbarer Belegschaft. Labour will einen Asiaten als Premier? Der Oppositionsführer William Hague von den Tories hatte einen besseren Vorschlag: Ein Schwarzer solle Regierungschef werden. Auch hier kein bißchen Ironie in seiner Rede.

Gleich nach ihrem Machtantritt schaffte Labour das "primary purpose"-Gesetz ab. Mit dieser Regelung wollten die Tories die Möglichkeit von Scheinehen mit Ausländern einschränken, die sich so die englische Staatsbürgerschaft erschlichen. Im Februar 1999 wurde der sogenannte Macpherson-Bericht veröffentlicht, welcher der Polizei Voreingenommenheit gegen Schwarze vorwarf. Der Schlüsselbegriff des Berichts lautete "institutionalisierter Rassismus". Eine ganze Reihe von Berufsständen sieht sich nun permanenten Vorwürfen der Medien ausgesetzt, rassistisch zu denken. Feuerwehrleute, Lehrer, die Streitkräfte, Ärzte, Künstler, Buchhalter, Juristen wurden Zielscheibe der Gutmenschenattacken. Der Erzbischof von Canterbury huldigte dem Zeitgeist und bekannte, die anglikanische Kirche sei "rassistisch". Seine Selbstkritik gipfelte in der Bemerkung: "Wir dürfen nicht ruhen, weder als Kirche noch als Gesellschaft, bis wir den Rassismus an der Wurzel gepackt haben – in unserer Nation, in den Kirchenstrukturen, in den Ordinariaten, im Leben der Kongregation." Auch Tony Blair hat die Gunst der Stunde erkannt und sich die Ansichten des Macpherson-Berichts zu eigen gemacht. Auf dem Labour-Parteitag 1999 wetterte er gegen "die Kräfte des Konservatismus, die mit dem Rassismus paktieren".

Innenminister Jack Straw hat bereits im Februar 1998 eine Kommission unter dem Vorsitz des weit linksstehenden asiatischen Peer Parekh eingesetzt, die sich mit der "Zukunft des multi-ethnischen Britanniens" beschäftigen sollte. Deren Abschlußbericht wurde im Oktober diesen Jahres der Öffentlichkeit präsentiert. Die Parekh-Kommission machte eine Vielzahl kurioser Vorschläge, wie etwa die Einführung eines "ethnic monitoring" an den Schulen und eines "ethnic auditing" der politischen Parteien. Darüber hinaus fand sich die Forderung, Großbritannien solle offiziell zur "multikulturellen Gesellschaft" erklärt werden. Die Geschichte des Landes müsse umgeschrieben werden, um den Erfahrungen und Erwartungen der ethnischen Minderheiten Rechnung zu tragen. "Es wäre großartig, wenn Prinz Charles eine Ehe mit einer Schwarzen eingegangen wäre", verriet ein weibliches Mitglied der Kommission. Sie fügte hinzu, die königliche Familie sei das Symbol einer undemokratischen Tendenz und – sehr verdächtig – alle sind weiß. Die Presse reagierte auf den Parekh-Bericht ziemlich feindselig, und Straw sah sich zu einer Distanzierung von dem "sub-marxistischen" Papier genötigt.

Der Multikulturalismus ist natürlich ein Ergebnis der Einwanderungswelle der vergangenen Jahrzehnte. Labour hat die Immigration eher noch erleichtert. Ein Berg von 72.000 Asylanträgen harrt der Bearbeitung. Dies liegt einerseits an der Unfähigkeit der Verwaltung, andererseits fehlt der politische Wille zu Beschleunigung der Verfahren. Etwa 150.000 abgelehnte Asylbewerber halten sich noch auf der Insel auf. Labour führt an, selbst bei Mehrausgaben von 600 Millionen Pfund sei es nur möglich, etwa 30.000 Menschen jährlich zurückzuführen. Die 150.000 leben nun als Illegale im Land. Die Regierung möchte Absprachen mit den Fährbetreibern treffen, um die Einreise von Wirtschaftsflüchtlingen zu erschweren.

Auf der anderen Seite ruft die Staatssekretärin Barbara Roche nach mehr legaler Einwanderung zur Rettung des Wohlfahrtsstaates. Ähnlich wie in Deutschland lautet das Argument, die IT-Branche benötige Arbeitskräfte. 1996 wurde 43.500 Einwanderern die Staatsbürgerschaft verliehen. Nach einer Studie der Uno müßte Großbritannien bis 2050 jährlich über eine Million Ausländer aufnehmen, damit die Bevölkerungszahl konstant bleibt. Obwohl Roches Ansichten nicht der offiziellen Regierungslinie entsprechen, finden sich ähnliche Ideen auch bei ihren Kollegen. Der wichtigste "Think tank" von Labour, das "Institute for Public Policy Resarch" macht regelmäßig Vorstöße in diese Richtung. Sollte Labour auch die nächste Wahl gewinnen, so wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Einwanderungspolitik gelockert.

William Hague, der Vorsitzende der Konservativen, zeigt sich blind gegenüber den Risiken einer ungebremsten Zuwanderung. Seine Aussagen, abgelehnte Asylbewerber sollten schneller abgeschoben werden, kann man getrost als Lippenbekenntnisse abtun. Letztes Jahr ließ sich Hague beim Karneval von Notting Hill blicken, einem multikulturellen, von Schwarzen veranstalteten Straßenfest im Westen Londons. Der Karneval von Notting Hill läßt sich in etwa mit den revolutionären Demonstrationen zum 1. Mai in Berlin-Kreuzberg vergleichen. Jedes Jahr kommt es zu Ausschreitungen, und jedesmal werden ein paar Leute dabei getötet. Hague jedoch schwärmte von "Britanniens größtem kulturellen Ereignis".

Dem konservativen Peer Lord Tebbit, der ihn deswegen kritisierte, drohte Hague mit einem Parteiausschluß. Hagues Auftritt in Notting Hill war der Auftakt für den sogenannten "compassionate conservatism". Den Namen dieser Strategie ("Konservatismus mit Herz") hat er sich bei den US-Republikanern geliehen. Er betrachtet exzessive Pluralität als eine Stärkung und nicht als eine Schwächung der Gesellschaft. Einen tiefen Einblick in seine politischen Ansichten gab er auf einer Konferenz der linksgerichteten "Commission for Racial Equality" (CRE) in Bournemouth im Oktober: "Ich möchte asiatische und schwarze Abgeordnete in konservativen Kabinetten sehen. Und ich freue mich auf den Tag, wenn ein Schwarzer Premier von Britannien ist."

Die Einheit des Vereinigten Königreichs ist in Gefahr, je breiter der Strom der Immigranten wird. Seit Labour 1997 die Macht übernahm, etabliert sich zudem eine politisch korrekte Zensur. Die Probleme der Multikultur sollen nicht diskutiert werden.    

 

Derek Turner ist Herausgeber der britischen Zeitschrift "Right Now!"


 
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