© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
Zeitschriftenkritik: Deutsche Sprachwelt
Gepflegt statt kultiviert
Ellen Kositza

Die Rechtschreibreform sowie das Überhandnehmen von Anglizismen in unserer Sprache sind zwei populäre Themen, in denen öffentliche Meinung und tatsächliche Meinung recht weit auseinanderklaffen. Wohl jede Zeitung, jeder Sender hat beide Bereiche vorgestellt und, meist gar kritisch, kommentiert. Eine Wende ist jedoch, trotz der Rückkehr der FAZ zur "vorreformatorischen" Schreibweise, weder hier noch dort abzusehen. Ein solches Umdenken sich auf die Fahnen geschrieben, gibt seit Mai diesen Jahres nun der deutsch-österreichische "Verein für Sprachpflege" die kostenlose Zeitung Deutsche Sprachwelt heraus. Dabei geht es hier keineswegs nur um den Unsinn der Neuschreibung und die Masse hereinschwappender amerikanischer Begriffe, sondern um ein umfassenderes Programm zur "Erhaltung und Gestaltung" der deutschen Sprache.

In einigen großen Firmen ist es ja mittlerweile üblich, sich bei ankommenden Telefonaten mit einem freundlichen "Guten Tag, dies ist Frau XY" vorzustellen, eine seltsame Direktübersetzung des angelsächsischen "This is XY speaking". Und: Selbst Universitätsdozenten sprechen bei der Einordnung geschichtlicher Ereignisse darüber, was "in 1973" geschah – auch hier eine überflüssige Anbiederung an die überseeische Syntax.

Analog zur Wahl eines "Sprachpanschers des Jahres", den die Mitglieder des "Vereins Deutsche Sprache" um Walter Krämer jährlich medienwirksam ausrufen, sollen bis Ende des Jahres die Leser der Deutschen Sprachwelt einen "Sprachwahrer des Jahres" küren. Als Ansatzpunkte sollen sowohl die Wahrung eines gepflegten Sprachstils, einer verständlichen Rechtschreibung als auch eines fremdwortarmen Deutschs gelten.

Die bislang erst achtseitige Zeitung selbst pflegt einen der Sache wohl angemessenen Stil zwischen Polemik und Information, neben pamphletartigen Zusammenfassungen bekannter Argumente gegen ein kulturloses Neudeutsch wird in der Art modernen Wissenschaftsjournalismus zum Beispiel über die Kurz- bzw. Langlebigkeit von Modewörtern informiert. Daneben fehlt auch Kurzweiliges, etwa eine aberwitzige Sparte "Fußballersprüche", nicht.

Mit einer Auflage von 44.000 und einer Verbreitung vor allem durch Empfehlungen finanziert sich die vierteljährlich erscheinende Zeitung allein durch Spenden. Ebenfalls von den Mitarbeitern der Sprachwelt herausgegeben wird die mittlerweile in stark erweitertem Umfang neu aufgelegte, lehrreiche und unterhaltsame deutsch-neudeutsche "Übersetzungshilfe" "Engleutsch? Nein danke!" Daß bei solchem Eifer einige Artikel in ihren Forderungen etwas altbacken-puristisch wirken, nimmt man mit einem Augenzwinkern gern in Kauf.

Kontakt: Deutsche Sprachwelt, c/o Stefan Micko, Postfach 27, A-2103 Lang-Enzersdorf.


 
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