© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
CD: Pop
Lokalmatador
Holger Stürenburg

Wir schreiben den Frühsommer 1985, da taucht in Hamburg eine neue Band in der Szene auf, spielt auf jedem besseren Stadtteilfest, durchzieht die Clubs von "LOGO" bis "Knust" und füllt sogar das Stadtparkrund mit 6.000 Fans (gemeinsam mit den Hessenrockern Rodgau Monotones): Felix de Luxe. Fünf junge Männer, die den Traum haben, schön, reich und berühmt zu werden. Diesen Traum versuchen sie mit einer Mischung aus 60er-Gitarrenklängen, New-Jazz-Einflüssen und typischem Achtziger-Jahre-Romantik-Pop, garniert mit mal fröhlichen, mal nachdenklichen oder aggressiven Texten – aber immer mit einem Augenzwinkern versehen – zu verwirklichen.

Fünfzehn Jahre später sind Felix de Luxe längst Geschichte; bereits 1988 gingen die fünf getrennte Wege. Dies hielt aber Songschreiber, Gitarrist und Hauptsänger Michy Reincke nicht davon ab, für das diesjährige Weihnachtsgeschäft die Hits seiner ersten Band Revue passieren zu lassen und eine Best-of-CD von Felix de Luxe zu veröffentlichen. "Das Beste von Felix de Luxe" (RinTinTin/EDEL) beinhaltet poppige Up-Tempo-Songs wie "Eddie ist wieder da", "Im Kopf da brennt noch nicht", "Hinein ins wilde pralle Leben" oder "Rio am Telephon" neben romantischen Balladen wie "Es war einmal" oder "Es kommt der Tag".

Das bekannteste Stück der Band ist "Taxi nach Paris". Zunächst hatte Reincke eine Hymne auf The Clash-Frontmann Joe Strummer schreiben wollen: "Ich traf Joe Strummer in Paris"; als er mit diesem Text nicht zufrieden war, verließ er das Studio und fuhr mit einem Taxi nach Hause. "Wohin soll’s denn gehen?" fragte der Fahrer. "Nach Paris!" antwortete Reincke – schon war der größte und weit über Hamburgs Stadtgrenzen bekannte Felix-de-Luxe-Hit geboren.

Ein Klassiker der legendären Tanzfeten im Hamburger "Knust" war die knisternde Ballade "Nächte über’s Eis", die sich ebenso auf diesem Best-of-Album findet wie eine Liveversion von"Blaue Wunder" und das Stück "Kleines Herz in Not". Auch das meistmißverstandene Lied von Felix de Luxe, das zugleich aber auch einen künstlerischen Höhepunkt darstellte, ist auf dieser 18-Song-CD vorhanden: "Bomben auf Hamburg", das Reincke heute nicht mehr so gerne mag und auch nicht mehr live spielt, hat er geschrieben, nachdem auf die Miederwarenabteilung bei Karstadt in der Hamburger Mönckebergstraße ein Brandanschlag verübt wurde.

Während Felix de Luxe-Gitarrist Franz Plasa heute als Produzent von Retortenbands wie Echt seine Meriten verdient, Pianist und Keyboarder Jörn Brandenburg zum musikalischen Leiter des Tom Waits-Musicals "Black Rider" im Hamburger Schauspielhaus avancierte, Jürgen Attig Studiobassist wurde und Schlagzeuger Martin Langer in der Band von Otto Waalkes spielt, steht Michy Reincke seit 1990 auch als Solist "an der Front". Er veröffentlichte auf den Soloalben "Paris" (1991), "RinTinTin" (1992) und "Das böse Glück" (1993) herrliche Popoden in gewohntem Stil: "Für immer blond", "Einmal den Zigeunern hinterher", "Ich bin nicht Dein Mann". Und vor etwa einem Jahr gab es nach fünfjähriger Pause ein weiteres Album von Michy Reincke, mit dem er seine kompositorischen wie textlichen Fähigkeiten erneut beweist: "Tonstrom" (RinTinTin) enthält zwölf klassische Popsongs mit sanften ("Bring mich nach Haus"), eher deutlichen ("Autos tot") oder frechen, deftigen Texten ("Baby, das war’s").

Schade ist, daß weder Felix de Luxe noch Reincke solo jemals wirklich den Weißwurstäquator überschreiten konnten. In Hamburg und Umland jedoch gilt Michy Reincke noch immer als Garant für schweißtreibende Livekonzerte, romantische Auftritte im "Schmidt’s Tivoli" auf der Reeperbahn und vor allem als Komponist, Texter und Interpret von Popsongs, die ab und zu noch den Charme der kühlen Dekade ausstrahlen.


 
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