© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
Harald-Schmidt-Show: Ostpreußen ist bekannter als die Ems
Nachhilfeunterricht in Sachen Deutschland
Bernhard Knapstein

Viermal Deutschlandkarte, vier Zahlen 1990, 1949, 1937, 1871. Entertainer Harald Schmidt, der Till Eulenspiegel der Nation, zückt den Tafelstock und zeigt auf die erste, die 1949er Karte. "Welches Datum gehört zu dieser Karte? Na, wer weiß es?" fragt Schmidt mit hochgezogenen Brauen das Publikum. Er erhält die richtige Antwort. Der Unterschied zu der 1990er Karte wird anhand der Demarkationslinie zur DDR noch einmal kurz erläutert. Auf die 1937er Karte zeigend: "Von wann ist diese Karte?" Die Antwort aus dem Publikum kommt überraschend schnell: "1937!" Schmidt frohlockt in die Kamera: "Unser Publikum, sehen Sie?!" Der Stock deutet nun auf einen blauen Flecken, der losgelöst und inselartig vom Hauptteil des 1937er Reichs dargestellt ist. "Weiß hier irgend jemand, was das ist?" Schmidt löst den Blick von der Karte. "Na?" Nach einer Schrecksekunde des Überlegens kommt dann doch die richtige Antwort aus dem Publikum. "Ostpreußen!" "Wie heißt eigentlich die Hauptstadt von Ostpreußen?" bohrt Schmidt mit angespannter Stimme weiter. "Königsberg" "Guuut!" Doch Schmidt gibt nicht auf, die Wissensgrenzen seines Publikums zu ertasten. An dem Tag nach dem zweiten Wahlgang der Gouverneurswahlen in Königsberg hakt Schmidt nach: "Wer weiß denn, wie die Stadt heute heißt?" Sofort hallt die Antwort zurück: "Krakau!" "Kraaakauu. Nicht zu fassen! Sind Sie zum ersten Mal hier?" Nachdem der Name Kaliningrad gefallen ist und auch die nächste Frage zur Zugehörigkeit des Königsberger Gebietes zu Rußland korrekt vom Publikum beantwortet worden ist, gibt sich Schmidt schon fast zufrieden. Fast. "Noch ein letztes. Was ist denn dieser weiße Fleck hier? Der war doch vorher noch da?" Der Stock schwingt zwischen den 1871er und 1937er Karten hin und her. "Das ist der Korridor!" schallt erneut die richtige Antwort aus dem Publikum. Nachhilfeunterricht braucht Schmidts Publikum trotz Krakau nicht. Die deutsche Jugend, jedenfalls das Schmidtsche Publikum, ist nicht doof. Jedenfalls nicht so unwissend wie jener norddeutsche Lehrer, der zwei Tage zuvor bei einer Quizshow die Ems in die Ostsee münden lassen wollte. – Ostpreußen bekannter als die Ems? Das stimmt hoffnungsfroh. Und außerdem: Es kann den sonst von der Öffentlichkeit vergessenen Ostpreußen nur freuen, wenn Ostpreußen im Fernsehen für einige Minuten ein Millionenpublikum in Deutschland bekommt. Schmidt sei Dank!


 
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