© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000

 
Möbel namens "Joschka"
von Richard Stoltz

Und wieder erschüttert ein rechtsradikaler Anschlag die Republik: In Hildesheim hat ein spaßvögeliger Möbelhändler einige seiner Sitzgarnituren mit PC-widrigen Namen ausgestattet. Eine Sessel-Sofa-Kombination heißt "Adolf", eine andere "Hermann". "Die Bevölkerung ist entsetzt", schreibt eine Zeitung.

Zur selben Zeit wird in Brandenburg ein völlig intakter Lärchenwald abgeholzt. Er war um 1935 von einem längst verblichenen NS-Fan gepflanzt worden und sollte, aus der Vogelperspektive gesehen, eine Swastika, ein Hakenkreuz, zeigen. Gelungen war das Unternehmen nicht so recht. Man konnte aus dem Flugzeug nur im Herbst bei direkter Sonneneinstrahlung etwas sehen, und daß das, was man dann sah, eine Swastika sein sollte, mußte man vorher ausdrücklich erklärt kriegen. Die Russen, die nach 1945 einmarschierten, nahmen nie Anstoß an dem "Hakenkreuzwald", auch die SED nicht und nicht die Bürgerrechtler nach der Wende. Erst jetzt ist wieder einmal "die Bevölkerung entsetzt" – und das arme Wäldchen wird also abgeholzt.

Wohin mit dem Holz? Nun, schleunigst nach Hildesheim in die dortige Möbelfabrik! Denn in Sessel namens "Hermann" kann sich kein Anständiger setzen, zumal er dann möglicherweise sehr lange sitzen müßte. Völlig neue Möbel mit unverfänglichen Namen wie etwa "Gerhard" oder "Joschka" müssen her, und es wäre nur gerecht, wenn dazu Lärchenholz mit Swastika-Vergangenheit verwendet würde. Das wäre endlich einmal echte Vergangenheitsbewältigung.


 
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