© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000

 
PRO&CONTRA
Massentierhaltung verbieten?
Baldur Springmann / Heinrich Maurer

Ja! Dafür habe ich schon seit 50 Jahren plädiert und habe mich seitdem auch als Ökobauer entsprechend verhalten. Aber nur wenige und schon gar nicht die bei Rot-Grün Tonangebenden haben verstanden, daß eine solche Maßnahme, würde sie wirklich gegen die Lobby der Agrarindustrie durchgesetzt, auch eine Symptombeseitigung, aber noch längst nicht eine Heilung der Todeskrankheit unserer Zeit bedeuten würde. Deren Ursache sind nicht Viren, Bakterien oder "Prionen", sondern wir selbst. Ein nicht bakteriell, sondern geistig begründeter Menschenwahnsinn ist dabei, das Erdenleben zu zerstören – das schreibt der Rinderwahnsinn balkendick an alle Wände. Aber unser politisches und kulturelles Establishment kann oder will dieses Menetekel nicht lesen, sondern verhält sich wie ein gackernd und flatternd auseinanderstiebender Hühnerhaufen, wenn der Marder in den Stall eingebrochen ist.

Im Sektor Landwirtschaft ist der tödliche Irrweg nun besonders evident: Eine einseitig mechanistisch-physikalisch-chemisch orientierte "Agrarwissenschaft" produziert "Agraringenieure" zur optimalen Ausbeute der Rohstoffe Pflanze und Tier zwecks größtmöglichem Profit. Aber ganz ähnlich geht es in den meisten Industrien zu. Was nicht bedeutet "Industrie abschaffen" sondern "Industrie grundsätzlich verändern".

Beispiel Pharmaindustrie: Die gottgegebenen Artengrenzen werden frevelhaft überschritten. Menschliche Arroganz bildet sich ein, "bessere Bioprodukte" in Form von Chimären oder Klonen konstruieren zu können als Gottes Schöpfungen. Beispiel Wirtschaftssystem: Wirtschaftswissenschaftler und Politiker bejubeln jedes Prozent "Wachstum", obwohl längst bekannt ist, daß solcher exponentieller Krebswucher tödlich endet. Beispiel Gehirnmaschinenindustrie: Die systematische Zerstörung des Gewachsenen und somit Gottgegebenen, des Volkstums zugunsten menschengemachter Ideologien maßloser Globalisierung.

 

Baldur Springmann ist Ökobauer und war Mitbegründer der Grünen.

 

 

Es stimmt zwar, daß die Übertragungsgefahr von Tierkrankheiten mit der Größe der Tierbestände zunimmt. Das trifft aber nur für Seuchen zu, die über den direkten Kontakt der Tiere untereinander übertragen werden. Gerade das ist bei BSE nicht der Fall. Der erste deutsche BSE-Fall, der eine regelrechte Hysterie ausgelöst hat, trat in einer Herde mit 153 Rindern auf, die ganz gewiß nicht als Massentierhaltung bezeichnet werden kann. Außer dieser einen Kuh waren alle anderen Rinder des Bestandes gesund. In Großbritannien sind die BSE-Fälle in allen Bestandesgrößen aufgetreten.

Auch die Verfütterung von Tiermehl, die als Hauptursache von BSE gilt, hat direkt nichts mit der Massentierhaltung zu tun. Nicht nur Großbetriebe, sondern auch kleine Tierhaltungen mit vielleicht zehn oder 20 Rindern kaufen als Ergänzung für eigenes Futter fremdes, sogenanntes Kraftfutter, zu. Bei Rinderfutter ist Tiermehl zwar seit 1994 verboten, kann aber durch unbeabsichtigte Vermischung oder durch illegale Zugabe trotzdem enthalten sein. BSE ist vor über zehn Jahren in Großbritannien deshalb ausgebrochen, weil Tiermehl aufgrund eines Überangebotes plötzlich ein preisgünstigeres Eiweiß-Futtermittel war als pflanzliche Futterbestandteile wie beispielsweise Soja. Dazu wurde dieses Tiermehl nach einem Verfahren hergestellt, das unter Hygienikern aufgrund unzureichender Erhitzung schon immer als unzuverlässig galt. Bei uns waren solche Verfahren immer verboten.

Nicht die Massentierhaltung, sondern überzogenes und teilweise kriminelles Gewinnstreben kann letztlich als Ursache von BSE ausgemacht werden. Seit die Landwirtschaft die Selbstversorungsstufe verlassen hat, wird in allen Bestandesgrößen Futter zugekauft. Daß dieses Futter unbedenklich sein muß, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Bei BSE hat die Eigenkontrolle der Futtermittelhersteller, aber auch die staatliche Aufsicht versagt.

 

Heinrich Maurer ist Pressesprecher des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg.


 
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