© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000

 
BLICK NACH OSTEN
Neulackierte "alte Genossen"
Carl Gustaf Ströhm

Der Westen solle den "aufgeklärten" Nationalserben Kostunica in Belgrad akzeptieren, denn etwas Besseres komme auf dem Balkan ohnehin nicht nach. Solche resignierten Kommentare kann man dieser Tage oft in Westeuropa hören. Spiegelt eine solche Haltung nicht die Ratlosigkeit und das Versagen europäisch-amerikanischer Politik seit der Wende?

Die Hiobsbotschaften häufen sich. Im Kosovo und den angrenzenden "altserbischen" Gebieten stehen Albaner und Serben einander schwerbewaffnet gegenüber – die KFOR-Truppen können hier allenfalls Feuerwehr spielen. Unter Kostunica sind die Serben zu jenen Methoden zurückgekehrt, die sie seit Generationen meisterhaft beherrschen: zur geschickten Selbstdarstellung, zum politischen "Einwickeln" ihrer Verhandlungspartner, nötigenfalls auch zur politischen Intrige. Die Albaner wiederum spezialisieren sich auf jenes "Fachgebiet", auf dem wiederum sie – nach jahrhundertelanger Bedrückung – Meister sind: Sie schießen. Schon in früheren Zeiten hieß es, das Gewehr sei für den Skipetaren nicht ein Instrument, sondern ein Körperteil. Den KFOR-Truppen wird es so ergehen wie allen, die auf dem Balkan Ordnung schaffen wollten: Sie werden so lange Erfolg haben, als sie mit Panzern anwesend sind. Kaum wenden sie sich ab und machen Mittag, geht alles wieder von vorne los.

Kosovo ist nicht der einzige Schauplatz für das Debakel. In Rumänien stehen einander nach den jüngsten Wahlen die Neokommunisten unter Iliesen und die "großrumänischen" Nationalisten unter Tudor in scharfer Polarisierung gegenüber. Der Westen klammert sich auch hier an das vermeintlich kleinere neokommunistische Übel. Dahinter werden Chaos und Auflösung sichtbar, zumal die Parteien der Mitte völlig aufgerieben worden sind. Auch in der mit Rumänien ethnisch verbundenen Moldaurepublik (Moldawien) herrscht eine analoge Pattsituation, welche die Wahl eines neuen Präsidenten bisher verhindert hat. Auch hier spricht man von möglichem Chaos und "düsteren Zukunftsperspektiven".

Im eigentlichen Albanien ist die innenpolitische Situation äußerst labil. Hier wurde der Chef der oppositionellen Demokratischen Partei, Sali Berisha, vorübergehend von den regierenden Sozialisten (Neokommunisten) verhaftet, seine Leibwächter wurden von der Polizei mißhandelt. Die Regierung behauptet, Berishas Anhänger hätten in Nordalbanien das Feuer auf die "Sicherheitskräfte" eröffnet, ein Gerichtsgebäude und eine Polizeistation in Brand gesteckt.

Bezeichnend ist, daß die westlichen Politiker das Verhalten der albanischen Regierung stillschweigend akzeptieren –obwohl die Verhaftung und Drangsalierung eines Oppositionspolitikers doch heftige westliche Reaktionen auslösen müßte. Hier zeigt sich, daß der Westen mit gewendeten Neokommunisten in Südosteuropa am leichtesten zurechtkommt. Von Bosnien bis Moldawien, von Kroatien bis Albanien –überall weden die "alten Genossen" als frisch gewendete Neo- und Nato-Demokraten vom Westen hofiert und salonfähig gemacht, während man für konservativ-nationale Politiker und Parteien wenig übrig hat.

Den Vogel schoß dieser Tage der tschechische Botschafter in Sofia ab. Er verursachte einen diplomatischen Skandal, als er erklärte, die Bulgaren seien für lange Zeit nicht "reif" für EU und Nato, weil sie im Zweiten Weltkrieg mit den "deutschen Faschisten" kollaboriert hätten. Vielleicht ist es deshalb angebracht, die Bulgaren und andere Völker von den Neokommunisten zur Demokratie umerziehen zu lassen.


 
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