© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000

 
Der steinige Pfad in die Ehe
Kino: "Meine Braut, ihr Vater und ich" von Jay Roach
Claus-M. Wolfschlag

Der Angelpunkt ist die eigene Angst. Man kann furchtsam und defensiv mit einer Situation umgehen, in der man auf die Probe gestellt wird. Oder man bewältigt die Lage offensiv, indem man zu verstehen versucht, daß es vielleicht weniger zu verlieren als zu gewinnen gibt und daß auch die Niederlage möglichenfalls ihre positive Seite haben kann. Das betrifft die Aufnahme politischer, wirtschaftlicher, sportlicher wie privater Beziehungen zu anderen Menschen. Aber wer kennt nicht die Lage, daß man vor allem in Situationen, die man besonders gut meistern will, zum Versagen neigt? Das betrifft manchmal den Schreiber, vielleicht auch den Leser, aber mit Sicherheit Greg Focker aus Chikago.

Greg (Ben Stiller) macht sich nichts aus Karriere. Er arbeitet bescheiden, aber zufrieden als Krankenpfleger. Und privat hat er eigentlich keine Probleme, denn seine Freundin Pam (Teri Polo) liebt den jungen Mann sehr, so daß einer glücklichen Ehe kaum etwas im Wege stehen dürfte. Doch der unsichere Greg läßt sich allzu leicht unter psychischen Druck setzen, besonders als er mit Pam für ein Wochenende zum Haus ihrer Eltern reist, um dort in aller Form der Familie vorgestellt zu werden. Die bürgerlichen Konventionen, die kritischen Blicke des überskeptischen Vaters (Robert De Niro) verunsichern Greg derart, daß er auf dem steinigen Pfad zur Anerkennung von einem Fettnäpfchen ins andere stapft – oder zu stapfen glaubt. Und um das in ihn gesetzte Vertrauen wiederzugewinnen, beginnt er zu lügen. Auf jede Lüge folgt eine weitere, und am Ende eskaliert die Lage und das Lügengebäude fällt in sich zusammen. Dabei sind Ehrlichkeit und das Eingestehen der eigenen Fehler für eine Ehe von großer Wichtigkeit. Nach zwei chaotischen Tagen in der Fremde jedenfalls scheint fast alles verloren für den Krankenpfleger, wenn er nicht auf einer anderen Basis wieder zu seiner Braut und deren Familie findet.

Wer kennt sie nicht, die gesellschaftlichen Konventionen, die uns tagtäglich scheinbar dazu zwingen, uns zu verstellen, unsere Meinung nicht zu sagen, zu lügen? Bekanntermaßen lügen die Menschen tagtäglich bis zu 200mal – meist, ohne es noch zu merken. Jay Roachs Streifen verlegt die Szenerie des Geschehens in das gediegene Haus der zukünftigen Schwiegereltern eines liebenswerten Versagers, der sich damit schwertut, gegenüber den an ihn gestellten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen zu bestehen. Zumindest glaubt er aufgrund eigener Selbstzweifel, daß er es schwer hätte. Regelrechtes "Prüfungsfieber" überfällt ihn. Während eigentlich zwischen dem jungen Paar alles geklärt ist, steht dem Bräutigam die harte Probe der Aufnahme in den ihm völlig unbekannten Kreis der Brautfamilie bevor. Der Gegensatz könnte nicht drastischer sein – hier die Vertrautheit und Zuneigung zur Geliebten, dort die Fremdheit und Verlorenheit gegenüber ihrer Familie. Gregs Ungewißheit wandelt sich in Angst vor den eigenen Fehlern. Dann folgen verkrampfte Versuche, durch Täuschungen und Griffe in die Trickkiste das Vertrauen der Schwiegereltern zurückzugewinnen. Schließlich verfällt Greg in Resignation und letztlich in Aggression und Haß ob der Vergeblichkeit des eigenen Tuns und der mangelnden Anerkennung. Und manchmal ist es der Haß, der Ärger, der Frust, der wie ein reinigendes Gewitter all die Ängste bewältigen hilft, all die Konventionen sprengt, die die eigentliche Lösung der schwierigen Lebenssituation wie unsichtbare Hürden zu behindern schienen. Erst die Entwicklung des eigenen Selbstbewußtseins, die mutige Bewältigung der oft selbstgesetzten Hürden ermöglicht es, das Leben ehrlich und selbstbestimmt zu gestalten.

Jay Roach hat mit "Meine Braut, ihr Vater und ich" eine ausgesprochen erfrischende Komödie inszeniert, die sich auf spielerische und sehr unterhaltsame Weise mit der menschlichen Sehnsucht nach Zuneigung, der Gier nach Anerkennung und den Ängsten vor dem eigenen Versagen auseinandersetzt.


 
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