© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001

 
Schwarz-grüne Vorzeichen
Stuttgart: Extremismus-Experte Hans-Helmuth Knütter von Anhörung wieder ausgeladen
Alexander Schmidt

Zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall kam es am 20. Dezember im baden-württembergischen Landtag. Im Stuttgarter Parlament sollte eine öffentliche Anhörung zu Ursachen und Entwicklungen extremistischer Gewalt stattfinden, zu der unter anderen Erwin Hetger, ranghöchster Polizeibeamter des Landes, Helmuth Rannacher, Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz, sowie auf Vorschlag der Republikaner-Fraktion der Bonner Politikwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter als Sachverständige eingeladen waren. CDU-Mitglied Knütter arbeitete lange Zeit für die Bundeszentrale für politische Bildung und die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung im Bereich Extremismusforschung und gilt als besonderer Kenner der linksextremen Szene.

Kurz nach Beginn der Sitzung des Innenausschusses stellte die FDP-Fraktion den Antrag, Knütter wieder auszuladen. Fraktionschef Ernst Pfister bezeichnete Knütter als "rechtsradikalen Professor", der vom Verfassungsschutz des Landes als "gefährlicher Neonazi" eingestuft werde. Gestützt wurden die Vorwürfe durch einen Vermerk von Verfassungsschutz-Chef Rannacher, der den Vorsitzenden des Innenausschusses, Robert Ruder (CDU), informierte. Daraufhin beschloß der Innenausschuß in nichtöffentlicher Sitzung mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und Grünen, den 66jährigen von der Liste zu streichen, um ihm "keine Plattform zur Verbreitung extremistischen Gedankenguts zu bieten".

Die Republikaner kritisierten den Beschluß als Skandal und verließen, wie Knütter später auch, das Plenum. Fraktionschef Schlierer sieht in der Ausladung Knütters einen weiteren Beleg für "die Arroganz und Ignoranz" der anderen Fraktionen.

Kritiker vermuten hinter den von Rannacher vorgebrachten Anschuldigungen gegen den Professor persönliche Hintergründe. Knütter setzt sich bei seiner Forschung in großem Maße mit der politischen Arbeit des Verfassungsschutzes auseinander, die er wegen parteipolitischer Tendenzen immer wieder angriff und eine "Spitzelbehörde" nannte. In dem von ihm mitherausgegebenen neuen Buch "Der Verfassungsschutz" gehenWissenschaftler und Unionspolitiker der Arbeit des Verfassungsschutzes nach. Ein Kapitel ist der baden-württembergischen Behörde gewidmet, deren Chef Rannacher ist.

Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT zeigte sich Knütter enttäuscht über das Verhalten seiner Parteifreunde. "Ich wollte eine auf Fakten gestützte Analyse meiner Sicht der Dinge vorlegen und sah meine Arbeit durch die Meinungsfreiheit geschützt", erklärt er. Er habe zu den gestellten Fragen extra ein mehrseitiges Papier ausgearbeitet. Jetzt überlege er sich, gerichtlich gegen die Äußerungen, er sei ein "gefährlicher Neonazi", vorzugehen: "Damit habe ich absolut nichts zu tun", beteuert er. Es handele sich um eine Wahlkampfkampagne, mit der die Republikaner im Zuge der "Anti-Rechts-Kampagne" bei der Wahl am 25. März aus dem Landtag gespült werden sollen. Der Kampf gegen Rechts, dem Knütter zum Opfer fiel, richte sich auch gegen die Union, die sich dennoch an den Kampagnen beteilige.


 
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