© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001

 
Parteiensalat
Slowakei: Das Parlament als Gründungsbühne kleiner Splittergruppen
Steffen Königer

In der Slowakei – einem der wenigen Staaten Europas, die sich nicht an den Sanktionen gegen Österreich beteiligten – verfahren die Parlamentarier im Moment nach der Devise: "Bin Partei – suche Mitglieder". Anders können die Vorkommnisse innerhalb des Parlaments in Preßburg kaum umschrieben werden.

Die Neugründung der Partei Smer (Richtung) durch den Rechtsanwalt und slowakischen Parlamentsabgeordneten Robert Fico vor gut einem Jahr kann als eine Art "Initialzündung" auf diesem Gebiet gesehen werden. Der 38jährige Fico fiel noch im Januar mit einigen radikalen Äußerungen, welche die Zigeunerpolitik der Slowakei betrafen, stark in das politische Kalkül der zu erwartenden Wahlen. Konnte der ehemalige Abgeordnete der SDL (Partei der demokratischen Linken) noch im Januar 2000 ganze 23 Prozent auf sich und seine Partei vereinigen (dies wäre die zweitstärkste politische Kraft gewesen), spricht heute von dem parteilosen Parlamentarier kaum jemand mehr. Seine kurze Popularität hatte Fico vor allem seinen rigorosen Forderungen hinsichtlich der Minderheiten der Sinti und Roma zu verdanken, denn in der Slowakei gibt es Probleme mit den kaum integrationswilligen Volksgruppen, die durch immer stärke Zuwanderung vor allem aus Ungarn und Rumänien zu einem ernsthaften Problem wurden. Auch deshalb stand er in der Wählergunst ganz oben. Die Slowakei gilt als sicherer Drittstaat, dorthin werden die Asylbewerber nach Ablehnung in Deutschland wieder zurückgeschoben und können zwölf Monate verweilen, bis ihre Angelegenheiten endgültig geregelt sind. Dieses wollte Fico mit mehr oder minder "populistischen Parolen" ändern und kam so schnell in den Verdacht, ein "slowakischer Haider" zu sein– ausgerechnet der Mann, der von der slowakischen "PDS" kam!

Vladimir Meciar, Vorsitzender der HZDS (Bewegung für eine demokratische Slowakei) und Ex-Ministerpräsident, kommentierte eine mögliche Zusammenarbeit mit der Smer in einem Interview mit dem Wiener Standard. Dort wurde er zu dem im Dezember an der Beteiligung des slowakischen Volkes gescheiterten Volksabstimmung zu Neuwahlen befragt. Meciar, der mit der SNS (Slowakische National Partei) sechs Jahre lang an der Regierung war, reagierte äußerst empfindlich auf Vergleiche mit Haider. "Ich habe mich immer von jeder Form des Faschismus ebenso wie des Kommunismus distanziert und habe mit Haider nichts gemeinsam", ließ er verlautbaren, würde aber nach eigener Aussage auch mit der Smer koalieren, wenn er selbst nicht Ministerpräsident werden könnte. Also doch "österreichische Verhältnisse"?

Die Slowakei wurde hauptsächlich wegen Meciars Führungsstils von der EU nicht in die erste Runde der Beitrittskandidaten aufgenommen. Viele Europa-Politiker malten mit Hilfe des "Antieuropäers" Meciar eine Gefahr an die Wand, um sich der nationalistischen Bestrebungen des kleinen Karpatenstaates auf europäischer Ebene besser entledigen zu können.

Auch gab es im Dezember das Gerücht, die HZDS stehe vor einem Verbot wegen politisch motivierter Straftaten. Doch die Ermittlungen sind inzwischen ergebnislos abgeschlossen worden. Der nun wieder im Umfragen immer mehr erstarkende Meciar (die HZDS ist seit der Gründung der Slowakei immer mit Abstand die stärkste Partei gewesen)hat nun allen Grund sich zu freuen, daß die Regierungskoalition immer mehr in sich zusammenfällt: Den amtierenden Ministerpräsidenten der Slowakei, Mikulas Dzurinda, scheint auch die Gründungswut gepackt zu haben. Er hat im November mit anderen Mitgliedern seines Kabinetts die SDKU (Slowakische Demokratische Christliche Union) gegründet, deren Mitglieder auch teilweise aus der KDH (Christdemokratische Bewegung) kamen. Dzurinda wurde auch als deren Vorsitzender bestätigt. Mit der Gründung sollte eine Partei ähnlich der CDU oder der ÖVP entstehen.

So bleibt nun abzuwarten, ob sich zu den neun in das Parlament gewählten Parteien noch weitere gesellen, denn bis zum März dieses Jahres müssen sich die Parlamentarier für eine Partei entscheiden. Erst dann soll es verboten werden, Mitglied in mehreren Parteien gleichzeitig zu sein.


 
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