© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001

 
CD: Pop
Pubertätsnostalgie
Holger Stürenburg

Als Ende November vergangenen Jahres die norwegischen New Romantic-Popper A-Ha durch die ausverkauften Hallen der Bundesrepublik reisten, waren die Massen schlichtweg begeistert. So befanden sich zum Beispiel in der Alsterdorfer Sporthalle zu Hamburg fast 8.000 begeisterte Ex-Teenager, die gemeinsam mit ihren einstigen Jugendidolen ihre Pubertät Revue passieren lassen wollten. Doch bevor A-Ha alles zwischen "Take on me" und "Major Earth – Minor Sky" präsentierten, durfte eine halbe Stunde lang eine – ebenfalls skandinavische – Neuentdeckung ihr geballtes Können beweisen.

Die vierköpfige Band Briskeby, wie ihre Mentoren aus Norwegen stammend, waren jedoch keine Vorgruppe im herkömmlichen Sinne – etwa eine in der Art, die den Besucher mit kaum zu ertragenden Klängen nervt, ohne auch nur eine Sekunde in der Lage zu sein, die geplante "Einheizerfunktion" zu übernehmen – sondern eine eigenständige Rockband, die professionelles Handwerk und emotionale Intensität an den Tag legte und damit auch sehr viele A-Ha-Fans zu lautem Jubel anregen konnte.

Die Norweger erinnern stark an die Pretenders Anfang der 1980er Jahre. Frontfrau Lisa Karlssen sieht nicht nur aus wie Chrissie Hynde vor 20 Jahren, sondern klingt auch genauso und präsentiert ihre Lieder, begleitet von Gitarrist und Songschreiber Björn Bergene, Bassist Bard Helgeland und Schlagzeuger Claus Larssen in eben jenem Stil, der vor zwei Jahrzehnten die Pretenders berühmt machte: düsterer, durchaus rockender, äußerst eingängiger und hoch emotionaler Gitarrenrock auf oft trüber, romantischer Basis. Kaum neuzeitliche Elemente kommen zum Zuge; viel eher wird gerockt wie zu besten New-Wave-Zeiten.

Ende Januar 2001 veröffentlichen Briskeby, die sich nach einem kleinen, verschlafenen Vorort von Oslo benannten, obgleich niemand von ihnen dort je lebte, ihre erste CD "Jeans for Onassis" in Deutschland (Mercury/Universal). In ihrer Heimat sind sie längst bekannte Stars. Nur eine Woche nach der Veröffentlichung im Oktober 2000 hatte "Jeans for Onassis" bereits Goldstatus in Norwegen erreicht, während die erste Single "Wide awake" erst zum Radiodauerbrenner geriet und sich später auch auf der Topposition der Verkaufscharts festsetzen konnte.

Eher ruhige, getragene Songs wie "Keep it to yourself" oder synthilastige Popdepressionen wie "Propaganda" begeistern den Freund waveorientierter, klassischer Rockmusik genauso, wie härtere, nervöse Stücke der Sorte "The Asphalt Beach" oder eingängige, schnelle Rockhymnen à la "Berlin" oder "Hey Harvey".

Auch Balladen von Briskeby kommen sehr gut rüber: So etwa "Loveenterprise", bei dem Björn Bergene, der Komponist aller Songs und "musikalische Direktor" von Briskeby, selbst zum Mikrophon greift, oder "Envy": eine Ballade, die einerseits Naivität, andererseits geballte Kraft und Selbstbewußtsein ausstrahlt. "Stars in their Eyes" versammelt ein großes Streichorchester, das äußerst konstruktiv mit Lise Karlssens mal aggressiver, mal mädchenhafter Stimme harmoniert.

In den Jahren 1981/1982 wären Briskeby vermutlich weltweit Stars des New Wave geworden. Sie hätten sich mit Blondie, den Motels, den Eurythmics oder eben den Pretenders um die Spitzenplätze in den Hitlisten geprügelt. Zwanzig Jahre später sieht es in den Charts leider völlig anders aus. Klassischer Rock kommt dort gar nicht mehr vor, was "New Wave" ist, wissen die meisten Nachgeborenen nicht. Älteres Publikum im dritten Lebensjahrzehnt hingegen wird Briskeby mögen und vielleicht auch dafür sorgen, daß "Jeans for Onassis" zumindest in den anspruchsvoller ausgestalteten Albumhitparaden einen guten Platz erzielt.


 
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