© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001

 
Geistige Knechtschaft
Vom Antitotalitarismus zum Antifaschismus
Gerhard Eiselt

Seit 1949 standen sich die antito talitäre westdeutsche Bundesrepublik und die antifaschistische DDR gegenüber. Die Bundesrepublik sah sich in einem politischen Zweifrontenkrieg: Einerseits gegen Neonazismus, Rassismus und Rechtsextremismus, andererseits gegen den Marxismus-Leninismus und damit gegen die Staatsdoktrin der DDR. Die DDR verstand sich als antifaschistisch, seit dem spanischen Bürgerkrieg ein Begriff, der den unter kommunistischer Führung geführten gemeinsamen Kampf mit Sozialisten und Linksliberalen gegen Faschismus und Franco bezeichnete.

Seit 1968 prägte in der Kulturrevolution der Neomarxismus der Frankfurter Schule die westdeutsche Diskussion. Dies war mit einer übersteigerten Sicht des Einzelmenschen verknüpft, dessen Interessen hedonistisch verstanden wurden. Die Kulturrevolutionäre zerstörten überkommene calvinistische, kantische und preußische Wertvorstellungen über die Erfüllung des Lebenssinns durch Pflichterfüllung im Alltag, durch Leistung und durch Einsatz für das Gemeinwohl. Sie forderten statt dessen Selbstverwirklichung durch Verwirklichung subjektiver Wünsche ohne Rücksicht auf überkommene Pflichten gegenüber der Familie und den Mitbürgern, vertraten Egoismus, Lusterfüllung jeder Art, sexuelles Ausleben und lehnten den gesellschaftlichen Vorrang der Familie ab. Politisch war ihr Motto "Der Feind steht rechts", und sie verteufelten alle konservativen oder rechtsliberalen Positionen. Der "Kampf gegen Rechts" war wichtigste antifaschistische Pflicht. Rechts war für sie wie auch für Kommunisten alles, was nicht antifaschistisch gleich marxistisch ist. Deshalb unterstützte die DDR die Kulturrevolution. In den folgenden zwanzig Jahren rückten die so geformten jungen Menschen in die Positionen der Hochschul- und Schullehrer und Medienmitarbeiter ein und verbreiteten ihre Wahrheiten.

Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands war für diese Linken ein schwerer Rückschlag, denn sie wollten die DDR als sozialistisch zu reformierenden zweiten deutschen Staat erhalten. Sie vertraten die These von der Notwendigkeit zweier deutscher Staaten für eine europäische Friedensordnung. Diese These wurde durch eine freiheitlich-demokratische und patriotische Welle in beiden Teilen Deutschlands weggeschwemmt.

Da die Kulturrevolutionäre als linke Meinungsmacher in sicheren Positionen saßen, konnten sie ihre Meinungsführerschaft wiederherstellen. Dabei nutzten sie rassistische und rechtsradikale Parolen und Gewalt aus, um antifaschistisch gegen Rechts schlechthin aufzutreten. Das griff auf prominente CDU-Mitglieder, wie Frau Süssmuth, über. Zur Zeit der Morde der Roten Armee Fraktion hat man deren Verbrechen niemals "der Linken" zugerechnet, denn damals gab es noch den Konsens aller Demokraten von Rechts bis Links. Extremisten wurden gesondert bewertet. Das war unter Kanzler Helmut Schmidt selbstverständlich.

Der antitotalitäre Konsens aller Demokraten verschwand und wurde durch eine "politische Korrektheit" linker Prägung ersetzt, die allmählich die demokratischen rechten Positionen tabuisierte. Wer hiermit das politische Spektrum der britischen Demokratie aus Konversativen, Liberalen und Labour vergleicht, sieht die Einseitigkeit der politischen Diskussion in Deutschland. Die Deutschen antworten darauf mit zunehmender Wahlenthaltung. In Leserbriefen zeigt sich deutliche Kritik.

Der moralische Zusammenbruch des Systems Kohl und die Führungskrise der CDU verhinderten das Scheitern der Regierung Schröder/Fischer. Die SPD etablierte politische Kontakte zur PDS und ermöglicht ein Zusammenwirken von SPD, Grünen und PDS auf Bundesebene. In den Medien läuft eine Propagandawelle nicht nur gegen Rechtsradikale, sondern gegen Rechts schlechthin. Gemeinsamer Kampf gegen Rechts wird gefordert.

In der Europäischen Union gibt es unbeanstandet kommunistische Regierungsmitglieder in Frankreich und Italien. Aber gegen Österreich verhängte die EU Sanktionen, als dort nach freien Wahlen eine rechtsliberale Partei in die Regierung eintrat. Die EU ist auf antifaschistischem Kurs, nicht auf antitotalitärem.

Das ist die Lage, und es fragt sich, ob die antitotalitären Kräfte unseres Volkes, die noch in einigen Landesregierungen vertreten sind, verhindern können, daß der bisher maßgebende Antitotalitarismus durch den Antifaschismus als Staatsdoktrin ersetzt wird. Der Verlust von Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit droht. Mit dem Antifaschismus als Staatsdoktrin wäre wie in der DDR der Weg zur geistigen Knechtschaft beschritten.

 

Prof. Dr. Gerhard Eiselt war Staatssekretär beim Senator für Schulwesen in Berlin


 
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