© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
PRO&CONTRA
Das Berliner Stadtschloß wiederaufbauen?
Rupert Stuhlemmer / Heinrich Pfeffer

Die Beantwortung der Frage liegt in der wissenschaftlichen Auswertung der einzelnen Bedeutungsebenen des Ortes. Im Vordergrund steht unter anderem das Wiederkenntlichmachen einer städtebaulichen und architektonischen Figur, die Ursprung für die Gestaltung und Bedeutung der ganzen Stadt war. Der größte Teil des in der Berliner Mitte noch erhaltenen Bauensembles bezieht sich auf diese nicht mehr vorhandene Gebäudekonstellation, nicht zuletzt auch die Straße Unter den Linden. Zwischenzeitlich beschlossene Rekonstruktion wie die der flankierenden Kommandantur und der Bauakademie verstärken das Gefühl der Leere maßgeblich.

Die Frage nach dem Ob beinhaltet gleichermaßen das Wie. Das Schloß ist das bestdokumentierteste Gebäude der Stadt. Eine Vielzahl von historischen Dokumenten kann Garant dafür sein, eine präzise Rekonstruktion detailgenau und materialgerecht zu erstellen. Über die wissenschaftliche Bearbeitung von historischen Fotografien, Fragmenten und Zeichnungen können über die sogenannte Photogrammetrie alle wichtigen Bereiche rekonstruiert werden. Die Qualität des Schlosses und seiner Fassaden liegt zum großen Teil in der bildhauerischen Fähigkeit Schlüters: ein Zusammenspiel fein abgestimmter Unterschiede. Einzelne Schmuckelemente wie z.B. Girlanden und die Adler im Hauptgesims sind von Fensterachse zu Fensterachse unterschiedlich gestaltet und nehmen dadurch dem großflächigen Gebäude eine Monotonie, wie sie ein modernes Gebäude, bedingt durch maschinelle Fertigung, zwangsläufig erhalten würde. Die Wiederherstellung der Außen- und Hoffassaden sowie einiger bedeutender Räume könnte im Rahmen und Maßstab für moderne/zeitlose Architektur in den nicht historischen Bereichen des Schlosses bilden.

Denn von nahezu 1.000 ehemaligen Räumen wäre nur ein kleinerer Teil wichtig genug, rekonstruiert zu werden. Die restlichen Flächen böten ein phantastisches Betätigungsfeld für Architekten, die im Dialog mit der historischen Form moderne Ansprüche erfüllen würden.

 

Dipl. Ing. Rupert Stuhlemmer ist Stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses.

 

 

Bei der Diskussion um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses gibt es drei wesentliche Aspekte: den städtebaulichen, den architektonischen und den historischen. Städtebaulich ist der Wunsch der Wiederherstellung des Schloßplatzes und die stadträumliche Reparatur des Straßen- und Platzensembles nicht nur zu verstehen, sondern ausgesprochen wünschenswert.

Dieses jedoch in Form einer Rekonstruktion des zerstörten Schlosses zu tun, ist unzulässig. Die Situation ist völlig anders als beim Wiederaufbau der romanischen Kirche Kölns oder der Dresdner Frauenkirche. Von diesen Gebäuden waren zumindest Ruinen erhalten und sie waren von herausragender Bedeutung für die Identifikation der Bevölkerung mit der Geschichte und Identität eines Ortes. Die Rekonstruktion des nicht mehr existenten Stadtschlosses birgt die Gefahr, ähnlich lächerlich zu geraten wie die Replik eines Bugatti auf VW-Fahrgestell mit Käfermotor. Eines sollte man in allen Diskussionen jedoch berücksichtigen: Der Palast der Republik, der dem Wiederaufbau des Schlosses weichen müßte, ist sicher in qualitativer Hinsicht keine Bereicherung der Architektur Berlins, für die Bürger der DDR ist er jedoch von herausragender geschichtlicher Bedeutung. Immerhin haben diese den Bau direkt per Umlage finanziert. Ich habe viele Ostberliner getroffen, die auch heute noch stolz auf diese Leistung sind. Den Palast der Republik abzureißen, wäre eine politische Provokation, das Eliminieren eines Reliktes einer historisch bedeutsamen – wenn auch belasteten – Phase der deutschen Geschichte. Emotionale Distanz, Achtung und Weitsichtigkeit stände meines Ermessens unserer Generation gut an, wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt eine Entscheidung in dieser Frage fällen will. Im übrigen, wenn man den Wiederaufbau des Stadtschlosses diskutiert, muß man dann nicht auch den Wiederaufbau der Neuen Staatskanzlei diskutieren?

 

Dipl. Ing. Heinrich Pfeffer ist Präsident des Bundes Deutscher Architekten (BDA) in Köln


 
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