© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
Das große Schweigen
Auch Daniel Cohn-Bendit gerät wegen seiner militanten Vergangenheit ins Zwielicht
Thorsten Thaler

Nach dem Auftauchen von Bildern aus der militanten Vergangenheit des heutigen Außenministers Joschka Fischer und der Diskussion um seine Rolle bei gewalttätigen Ausschreitungen Mitte der siebziger Jahre in Frankfurt am Main gerät auch ein anderer prominenter Grünen-Politiker ins Zwielicht. Daniel Cohn-Bendit, seit dreißig Jahren Fischers Freund und Weggefährte, war in seiner Sponti-Zeit ebenfalls kein Kind von Traurigkeit; gelegentlich soll er auch schon mal kräftig ausgeteilt haben. Nach einem Augenzeugenbericht soll Cohn-Bendit bei einer Demonstration in Frankfurt sogar auf einen zu Boden gegangenen Polizisten mit Füßen eingetreten haben. Die JUNGE FREIHEIT erwähnte diesen Vorfall in ihrer vorigen Ausgabe.

Cohn-Bendit hat sich bis heute nicht zu den schweren Vorwürfen geäußert. Mehrere Versuche dieser Zeitung, ihn noch vor der Veröffentlichung telefonisch um eine Stellungnahme zu bitten, blieben erfolglos. Auch eine erste Fax-Anfrage Dienstag vergangener Woche ließ er unbeantwortet. Weitere Bemühungen der JUNGEN FREIHEIT, Cohn-Bendit diese Woche zu den Vorwürfen zu befragen, scheiterten ebenfalls. Eine Mitarbeiterin in seinem Frankfurter Büro teilte nur lakonisch mit, ihn – Cohn-Bendit – interessiere das nicht. Außerdem lege er keinen Wert darauf, sich gegenüber der JF zu äußern. Schließlich blieb auch eine zweite schriftliche Anfrage per Fax ohne Erfolg.

So schweigsam ist Daniel Cohn-Bendit sonst nicht. In seinem Buch "Der große Basar" schrieb er bereits 1976: "Die Stimmung auf den Barrikaden wird für mich immer ein unvergeßliches Erlebnis bleiben. Das gemeinsame Handeln materialisierte sich im Ausreißen des Straßenpflasters und im Bau der Barrikaden."

Wie die Frankfurter Spontis um Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit in ihren wilden Zeiten gegen Polizeibeamte vorgingen, schilderte der Journalist Christian Schmidt zwanzig Jahre später in seinem Buch "Wir sind die Wahnsinnigen": "Blitzartig stießen sie aus der Menge der Demonstranten hervor, um einzelne Polizisten einzukreisen, mit ihren Knüppeln zu bearbeiten und anschließend wieder genauso schnell zu verschwinden."

Schmidt verhehlt aber auch nicht die unterschiedlichen Rollen Fischers und Cohn-Bendits: Während Fischer "fast jedes militante Mittel" recht gewesen sei, um sein "revolutionäres Ziel" zu erreichen, verteidigte Cohn-Bendit zwar verbal revolutionäre Gewalt, gehörte aber nicht wie Fischer zur "schnellen Eingreiftruppe" und griff "eher selten ’ganz spontan‘ zu Steinen". Etwas genauer hätte man es allerdings schon gern gewußt.

Daß Cohn-Bendits Einstellung zur Gewalt heute eine andere ist, belegt seine Unterschrift unter einen Appell, mit dem einige Publizisten und Politiker 1994 einen Brandanschlag auf die Druckerei der JUNGEN FREIHEIT verurteilten.


 
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