© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
"Gewalt bis zum Äußersten"
Ein Gespräch mit Günter Matthei über die Rolle Joschka Fischers
Moritz Schwarz

Am 10. Januar erschien in der Rhein-Main-Zeitung, dem hessischen Regionalteil der Frankfurter Allgemeinen, ein Leserbrief des früheren CDU-Stadtverordneten Günter Matthei. Darin heißt es: "Als damaliger Stadtverordneter in Frankfurt war ich mehrmals Beobachter bei Straßenschlachten. Ich bin heute noch der Meinung gesehen zu haben, wie durch Fischer mindestens einmal ein Molotow-Cocktail geworfen wurde." Die JUNGE FREIHEIT nahm diesen Leserbrief zum Anlaß, mit Günter Matthei zu sprechen:

Herr Matthei, Sie beschuldigen Joschka Fischer in einem Leserbrief, auch er habe in seiner Frankfurter Kampfzeit mindestens einmal einen Molotow-Cocktail geworfen. Habe Sie dafür Beweise?

Matthei: Ich habe ihn gesehen. Da ich ihn aber nicht persönlich erkannt habe, reicht das nicht für eine rechtssichere Zeugenschaft. Dennoch habe ich ihn identifiziert, und so bleibe ich felsenfest bei meiner Aussage: "Ich bin der Meinung gesehen zu haben, wie durch Joschka Fischer mindestens einmal ein Molotow-Cocktail geworfen wurde."

Wie, bitte, können Sie da sicher sein?

Matthei: Von 1973 bis 1976 fanden in Frankfurt diese Straßenschlachten statt. Ich bin dort als CDU-Stadtverordneter gewesen, denn ich hatte ja die Pflicht, mir selbst ein Bild zu machen. Und es war jedesmal das gleiche Bild, schwarze, uniformierte Gruppen ausgerüstet mit Waffen und Motorradhelmen, die fast jedesmal Gewalt angewendet haben. Es war dabei schwer – und das sage ich offen und ehrlich –, einzelne Personen direkt zu erkennen. Aber, wenn man das öfter gesehen und studiert hatte, dann wußte man, das ist jetzt der und der. Ich kannte also langsam ihre Truppen, ihre Führer und ihre Taktiken. Ich kannte inzwischen auch Fischer. Ich kannte seine Funktion, seine Art. Ihn habe ich beobachtet.

Vielleicht war Fischer zufällig an diesem Tag krank,und ein anderer hat seine Position übernommen.

Matthei: Das ist grundsätzlich möglich. Deshalb sage ich ja nicht "Es ist", sondern "Ich bin der Meinung" und nicht "Er hat" sondern "Ich habe gesehen", denn ich will deutlich machen, daß es sich um eine subjektive Aussage handelt, nicht um eine objektive Feststellung. Deshalb ist sie aber nicht weniger wahr. Natürlich kann es sein, daß... Aber ich sage Ihnen, ich habe Fischer gesehen. Ich kann im übrigen damit leben, daß meine Aussage nicht beweisbar ist, denn es geht mir nicht um ein rechtliches Belangen Fischers, sondern um seine moralische Schuld und sein Fortschleichen aus der Verantwortung. Er ist ja noch für viel mehr verantwortlich, als nur für das, was er selbst getan hat: Er war der Führer, Antreiber, Einpeitscher einer höchst gewalttätigen Gruppe, die Brandflaschen auf Menschen geworfen und mit Nägeln und Rasierklingen bewehrten Knüppeln eingedroschen hat. Wer die Atmosphäre der Auseinandersetzungen damals erlebt hat, der weiß, das waren keine Jugendstreiche, hier wurde die Gewalt bis zum Äußersten getrieben.

 

Gunter Matthei, Jahrgang 1928, war von 1972 bis 1993 CDU-Stadtverordneter in Frankfurt am Main.

 

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