© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/01 26. Januar 2001

 
Heftige Dementis
Königsberg: Der Londoner "Sunday Telegraph" sorgt für Spekulationen
Gustav Domberg

Die regierungsnahe Süddeutsche Zeitung suchte abzuwiegeln und bemühte gar Radio Eriwan. Alles, was die einflußreiche britische Sonntagszeitung Sunday Telegraph jüngst über Geheimgespräche des deutschen Bundeskanzlers mit Putin über eine Rückgabe Königsbergs und Nord-Ostpreußens an die Deutschen berichtet habe, sei "frei erfunden" und ein Witz.

Den baltischen Staaten und den Polen ist aber weder zum Lachen zumute, noch wollen sie ganz ausschließen, daß es – wo Rauch aufsteige – auch ein Feuer geben müsse. Wenn nämlich demnächst sowohl Litauen als auch Polen in die EU aufgenommen werden, bleibt die wirtschaftlich darniederliegende Exklave Königsberg wie eine isolierte Insel zurück. Es wäre also keineswegs unvernünftig, sollte Schröder, etwa während der jüngsten gemeinsamen Schlittenfahrt im russischen Winter, Putin vorgeschlagen haben, Deutschland werde sich bei einer EU-Assoziierung Königsbergs im Gegenzug für eine großzügige Streichung der russischen Auslandsschulden stark machen.

Natürlich wird jetzt an allen Fronten heftig dementiert – aber daß der Sunday Telegraph so etwas frei erfindet, ist eher unwahrscheinlich. Tatsächlich hat die EU bereits ein Ar-beitspapier zum Thema Königsberg verfaßt, und warum sollte es nicht ein Zollausschlußgebiet werden – wie etwa das Walsertal oder Teneriffa?

Nachrichten und Dementis dienen häufig dazu, die Öffentlichkeit an ein Thema zu gewöhnen. Sie könnten auch dazu dienen, quer zu schießen. Eines haben alle Dementis bereits jetzt bewirkt: Königsberg ist plötzlich ein Thema geworden.


 
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