© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/01 02. Februar 2001

 
CD: Pop
Vulkanromantik
Holger Stürenburg

Das Duo Orange Blue stammt aus Hamburg und besteht aus dem 26jährigen Sänger Volcan Baydar sowie dem Pianisten und Schlagzeuger Vince Bahrdt. Volcan, in der Hansestadt geborener Sohn türkischer Eltern, spielt seit seinem zehnten Lebensjahr Klavier und begann schon früh, eigene Lieder zu komponieren. 1992 machte er sich auf die Suche nach Gleichgesinnten und fand im Hamburger Stadtmagazin OXMOX unter der Rubrik "Band sucht Sänger" die Anzeige einer Coverband, die einen Frontmann suchte. Der Schlagzeuger dieser Soulband war Vince.

Doch die beiden wollten nicht nur Soulklassiker der Sechziger nachspielen, sondern eigene Lieder schreiben. Also setzte man sich zusammen und schrieb Songs – jeder für sich, wie Volcan betont, aber dennoch inspiriert durch Ideen und Gedanken des jeweils anderen. Heraus kamen dabei opulente Pianoballaden im Stil von Elton John oder Billy Joel; auch Chicago oder Barry Manilow lassen grüßen, wenn man die Songs von Volcan und Vince alias Orange Blue vernimmt. Bald darauf suchte man mit fertigen Pianoballaden nach einer passenden Plattenfirma. Aber offenbar waren die Lieder von Orange Blues viel zu ruhig, zu getragen, zu romantisch zwischen all dem Dancefloor-Krach und Rhythmus-Gedröhn der letzten Jahre, so daß erst die wagemutige Hamburger Firma EDEL Records die beiden unter Vertrag nahm – nachdem diese einige Monate in New York waren, dort Schauspielunterricht genommen und in schummrigen Piano-Bars gespielt hatten.

Im Frühsommer 2000 erschien mit "She’s got that Light" die erste Single des kreativen Duos und landete nach 20 Wochen in den Media Control Charts im Herbst auf Platz 5 derselben – neben all dem scheußlichen Einerlei der heutigen Popszene. Vor kurzem gab es nun das Debütalbum von Orange Blue, das deutlich zeigt, daß "Light" keine Eintagsfliege war: "In Love with a Dream" beinhaltet 18 Pianohymnen und Zwischenspiele, sämtlich komponiert von Volcan und Vince; eingespielt mit vielen Streichern, maschinell und akustisch – inklusive zweier "historischer Tondokumente", die Telefonanrufe von Volcans Ex-Freundin nach New York der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Typischer Neunziger-Jahre- Rhythmus ist auf diesem Album genausowenig vorhanden wie Kitsch und aufgesetzte Schöngeistigkeit. Trotz durchgehend balladesker Stimmung schaffen es die beiden, jede einzelne ruhig beginnende Nummer zu einem Vulkan von Emotionen und Stimmung wachsen zu lassen – geballte Kraft ertönt aus Songs wie "When Julie says", "Sometimes" oder "Can somebody tell me who I am?" Mit letzterem schaffte das Duo es sogar auf die Filmmusik-CD des neuen Walt-Disney-Streifens "Dinosaurier" – die Ehre, von der amerikanischen Disney-Produktionsfirma für einen ihrer Soundtracks ausgewählt zu werden, ist bislang noch keiner deutschen Band zuteil geworden.

Nachdem sich nun auch die zweite Single "Can somebody tell me who I am?" auf dem Weg nach oben befindet und zusätzlich erste umjubelte Liveauftritte über die Konzertqualitäten von Volcan und Vince Aufschluß geben, besteht Hoffnung, daß es sich bei Orange Blue nicht um ein "One Hit Wonder" handeln dürfte. So ist zu hoffen, daß es diesem musikalisch hochbegabten Duo nicht so ergeht wie verschiedenen anderen Balladenkünstlern in den letzten Jahren. Auch die Holländer Ten Sharp hatten 1991/92 mit "You" eine perlende Pianoballade geschaffen – bereits nach der zweiten Single war das Licht aus.

"In Love with a Dream" ist ein äußerst gelungenes Popalbum – im besten Sinne des Wortes. Besonders jetzt im Winter, wenn es früh dunkel wird, die Temperaturen nicht zu überlangen Spaziergängen einladen, scheint "I Love with a Dream" am passendsten zu sein!


 
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