© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
PRO&CONTRA
Massentötung von 400.000 Rindern?
Franz Fischler / Jutta Breitwieser

In Deutschland sollen hunderttausende Rinder geschlachtet werden, um den Markt zu stabilisieren. Dazu gibt es leider keine Alternative. Man darf nicht vergessen, daß die Kühe ja schon längst in den Ställen der Bauern stehen. Das Fleisch ist also schon da. Jetzt stellt sich die Frage, was in dieser Notsituation damit geschehen soll. Am Markt ist das Fleisch von alten Kühen nicht zu verkaufen, unsere Exportmärkte sind zusammengebrochen. Bleibt also nur noch, die Überschüsse möglichst kostengünstig zu beseitigen.

Eines sollte man klarstellen: Wir reden hier nicht über ein blutrünstiges Massenvernichtungsprogramm der EU, denn kein Tier wird zusätzlich geschlachtet. Wir reden davon, daß Tiere, die ohnedies geschlachtet werden würden und für die der Bauer keinen Abnehmer findet, aufgekauft und beseitigt werden. Wir bedauern das sehr, aber es gibt keine Alternative.

Dieses Problem auf verfehlte Agrarpolitik zu schieben, ist nicht fair. Bis zum Ausbruch der BSE-Krise letzten Oktober haben wir jedes Kilo Rindfleisch am Markt verkauft. Es gab keine Rindfleischberge. Jetzt ist die Situation natürlich völlig anders. Wir haben einen massiven Konsumeinbruch. Andererseits kann man die Rindfleischproduktion nicht auf Knopfdruck abstellen. Aus diesem Grund wird den Agrarministern im Februar ein Maßnahmenpaket vorschlagen, um die Rindfleischproduktion auch mittelfristig zurückzufahren.

Das Fleisch einzulagern und einzufrieren, um es später aus Steuermitteln doch zu vernichten, ist zudem teurer und sicher auch nicht ethischer. Außerdem gibt es in Europa nicht genug Lagerkapazitäten.

Und exportieren? Die meisten Drittländer haben die Importe gesperrt und es wäre nicht ethischer, tausende Tonnen Rindfleisch in Entwicklungsländer zu schicken, deren Markt zu zerstören und der Rindfleischwirtschaft dort jegliche Chancen zu nehmen.

 

Franz Fischler ist Agrarkommissar der Europäischen Union (EU) in Brüssel und Mitglied der ÖVP.

 

 

Um es nochmals deutlich zu sagen: bei der im Rahmen einer EU-Aktion geplanten Massentötung und Verbrennung von 400.000 Rindern in Deutschland geht es nicht um Verbraucherschutz oder BSE-Bekämpfung, sondern einzig und allein um die Bereinigung des Rindfleischmarktes. Die widersinnige EU-Agrarpolitik von der subventionierten Massenproduktion hin zur subventionierten Massenvernichtung ist schon bei Obst und Gemüse schwer einzusehen, bei Tieren ist sie zudem zutiefst unethisch. Das Tierschutzschutzgesetz fordert nicht umsonst einen vernünftigen Grund für das Töten von Tieren. Marktökonomische Gesichtspunkte zählen keinesfalls dazu. Viele der 30 Monate alten Tiere stehen zwar ohnehin zur Schlachtung an, sie nach dem obligatorischen BSE-Test nicht zu verwerten ist widersinnig. Nach den heutigen Maßstäben getestetes Fleisch gilt als sicher. Es kann genauso gut verkauft oder anstelle der ungetesteten Fleischbestände eingelagert werden. Statt dessen Verbrennung als Sondermüll. Für Verbraucherschützerin Künast, die nicht zuletzt auch Landwirtschaftsministerin ist, sind die 400.000 Rinder bereits tot. Wenn sie die Massenschlachtung ablehnt, spricht sie von der nächsten Welle, die sie nicht mehr akzeptieren will.

Doch schon jetzt ist abzusehen, daß es nicht bei einer einmaligen Aktion bleiben wird. Über die Wiedereinführung der Herodesprämie, als Schlachtprämie für besonders junge Kälber wird ebenso nachgedacht wie über weitere Vernichtungsaktionen für ältere Tiere. Ohne ein sofort einsetzendes, zeitlich begrenztes Zuchtverbot und ohne ein rigoroses Umsteuern der gesamten landwirtschaftlichen Tierproduktion wird sich an dem Schema der subventionierten Vernichtung nichts ändern. Künast will sich diesem Wahnsinn entgegenstellen und konkrete Vorschläge für Veränderungen in der Landwirtschaft machen, das ist gut so. Daß aber zuvor 400.000 Tiere durch das Feuer gehen sollen, ist weiterhin inakzeptabel.

 

Jutta Breitwieser ist Rechtsanwältin und Bundesvorsitzende des Bundes gegen Mißbrauch der Tiere e. V. in München.


 
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