© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001


"Unterstützung in ihrer Märtyrerrolle"
Kontenkündigung der Postbank und der "Appell für die Pressefreiheit" in Pressezitaten
Ekkehard Schultz

Die Kündigung der Kontoverbindung durch die Postbank, das Erscheinen der Anzeige "Appell für die Pressefreiheit" mit den Unterschriften vieler Prominenter sowie die Rücknahme des Schrittes der Postbank fanden ein großes Medienecho. Auftakt der Berichterstattung war eine am 22. Januar vom Focus veröffentlichte Meldung, über die Kontenkündigung und die Begründung der Postbank, mit "extremen Organisationen keine Kundenbeziehungen" mehr pflegen zu wollen. Dies werte der Journalisten-Verband Berlin (JVB) als "Angriff auf die Pressefreiheit". Deren Sprecher Alexander Kulpok, zugleich Chef des ARD-Videotextes vertrete die Auffassung, daß "eine Bank ... kein Medienunternehmen in den Ruin treiben" könne, "nur weil ihr dessen politische Richtung nicht paßt". Zugleich verlautete der Focus, daß JF-Geschäftsführer Dieter Stein gegen diese Kündigung klagen wolle. Diese Meldung wurde an den folgenden Tagen in ähnlicher Form auch in der tageszeitung und der Welt veröffentlicht. Am 25. Januar erschien schließlich unter dem Titel "Konto abgeräumt – Postbank kündigt JUNGE FREIHEIT" ein Bericht in der FAZ, die kurz zuvor telefonisch mit JF-Chefredakteur Stein Rücksprache gehalten hatte. Darin wurde Stein mit den Worten zitiert, daß dem Verlag ein "großer wirtschaftlicher Schaden" durch die Kündigung entstehe, da es sich um das "Hauptumsatz- und Kundenkonto" der JF handele. Mit der einstweiligen Verfügung beim Berliner Landgericht sei die JF "ein weiteres Mal ein Fall für die Justiz geworden", so die FAZ .

"Alle ducken sich, keiner will mehr rechts sein"

Dagegen stuft das monatlich erscheinende Deutschland-Magazin in seiner Ausgabe 1-2/2001 die Kündigung als weiteren, fast folgerichtigen Schritt eines grundsätzlichen "Kampfes gegen rechts" ein. In ihrem Kommentar unter der Überschrift "Neue deutsche Volkshygiene" fragt Chefredakteurin Nadina Humaus: "Wer fällt der Moralkeule des linken Medienkartells mit seiner geballten Finanzmacht und der neuen deutschen Volkshygiene als nächstes zum Opfer? Wir?" Auch die Pommersche Zeitung vom 2. Februar und das Ostpreußenblatt vom 2. Februar nahmen die Kündigung zum Anlaß, über Pressefreiheit im besonderen nachzudenken. Nach der Frage: "Gehört die Rechte nicht ebenso wie die Mitte und die Linke zu den tragenden Säulen einer Demokratie?" schreiben die Vertriebenenorgane zum aus dem "Kampf gegen rechts" resultierenden politischen und gesellschaftlichen Klima: "...Alle ducken sich, keiner will mehr rechts sein und wer im Rechten dennoch nichts Schlimmes erblicken will, dem wird bei der staatseigenen Postbank kurzerhand das Konto gekündigt – so wie bei der konservativen Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT".

Nach der Kurzmeldung im Focus hatte sich der JF-Verlag entschlossen, publizistisch in die Öffentlichkeit zu gehen, eine eigene Stellungnahme zu der eine Woche zuvor eingegeangenen Kündigungsmitteilung der Postbank zu formulieren sowie eine Unterschriftenaktion wider diesen Eingriff in die Pressefreiheit zu initiieren. Die Anzeige "Appell für die Pressefreiheit" für die viele prominente Unterstützer gewonnen werden konnten, erschien am 1. Februar in der FAZ, der Süddeutschen Zeitung und der Berliner Morgenpost, am 2. Februar zudem im Bonner Generalanzeiger. Bereits am Nachmittag des 1. Februar wurde die Kündigung durch die Postbank lapidar widerrufen.

Das darauf einsetzende Medienecho war gewaltig. Bereits unmittelbar am Tag nach der Rücknahme der Kündigung fanden sich in zahlreichen überregionalen und regionalen Blättern Meldungen, Berichte und Kommentare. Besonders ausführlich berichtete der Berliner Tagesspiegel. Neben einer Meldung veröffentlichte das Blatt in seiner Ausgabe vom 2. Februar auch eine Hintergrundberichterstattung und einen Kommentar zu diesem Thema.

Überrascht zeigt sich der Tagesspiegel von der Qualität der Unterschriftenliste über den von der JF initiierten "Appells für die Pressefreiheit", die in den Ausgaben der Süddeutschen Zeitung sowie der FAZ am Donnerstag, dem 1. Februar, "nicht zu übersehen" gewesen wären. Diese Namen würden sich wie ein "Who is Who" der "rechtskonsevativen Prominenz" lesen. Daher wurden auch im Hintergrundbericht zwei prominente Unterzeichner des "Appells" direkt nach ihren Motiven zur Teilnahme befragt: der Kölner Soziologie-Professor Scheuch und Focus-Chefredakteur, Helmut Markwort.

Positiv bewertet der Berliner Tagesspiegel die Rücknahme der Kündigungsentscheidung der Postbank. Unter der Überschrift "Die Konten sind frei" stellt sie in ihrem Kommentar die wirtschaftliche Frage für die Zukunft der Presse in den Mittelpunkt. Wörtlich heißt es: "Ohne Bankkonto läßt sich ein Unternehmen nicht betreiben: darum geht es. Wenn das Beispiel der Postbank Schule macht, daß nämlich Geldinstitute ihren Kundenkreis nach politischen Kriterien aussieben, dann sind viele gefährdet, Linke ebenso wie Rechte. Kein Gastwirt kann gezwungen werden, Bier an einen Kunden auszuschenken, dessen Nase ihm nicht paßt – das stimmt. Aber Zeitungen sind etwas Besonderes. Sie sollten nicht schikaniert werden, hat der Alte Fritz gesagt. Und es gilt daher der Grundsatz: Wer nicht verboten ist, der soll auch nicht behindert werden." Das abschließende Fazit des Tagesspiegel lautet: "Die JF bewegt sich im Grenzbereich des Erlaubten. Man mag sie ignorieren oder sich mit ihr auseinandersetzen. Aber so, wie es die Postbank macht, geht es nicht. Pressefreiheit gilt auch für die Schmuddelkinder".

Auch für die tageszeitung ist die Unterscheidung zwischen dem grundsätzlichen Recht auf Pressefreiheit und dem Charakter der Zeitung wichtig: "Man muß die JUNGE FREIHEIT nicht mögen, um sie trotzdem zu verteidigen, wenn ihr Unrecht widerfährt." Im taz-Kommentar vom 2. Februar unter der Überschrift "Eiferei gegen rechts" meint Eberhard Seidel: "War die Aufkündigung der NPD-Konten im letzten Jahr seitens der Postbank AG schon problematisch, wird es bei der JUNGEN FREIHEIT absurd. Denn die rechtskonservative, deutsch-nationale, mitunter auch kräftig völkische Zeitung mit Neonazis auf eine Stufe zu stellen, wird der JUNGEN FREIHEIT nicht gerecht." Seidel zieht einen Vergleich zwischen diesem Vorgehen und dem vermeintlichen Eifer, mit der der hessische Ministerpräsident Roland Koch die Taten der politischen Linken aus den siebziger Jahren pauschal geißele: "Koch &Co versuchen derzeit die gesamte politische Linke der letzten dreißig Jahre durch das Nadelöhr der Gewaltrituale eines Joschka Fischer aus dem Jahr 1973 zu quetschen. Die Absicht ist klar: An Stelle des politischen Streits soll die Denunziation treten,. Inzwischen deutet vieles darauf hin, daß auch frischgebackene Antirassisten an diesem Modell Gefallen finden". Zudem stimmt für die tageszeitung "...etwas nicht mit dem Demokratieverständnis, wenn die JUNGE FREIHEIT ruck, zuck als verfassungsfeindlich geächtet wird und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse abgemahnt wird, nur weil er meint: Wer heute als junger Mensch Rechtsextremist ist, sich demokratisch läutert, der kann dereinst auch Minister werden."

"Der JF wird der Vorgang einigen Auftrieb geben"

Für die JUNGE FREIHEIT haben sich "Prominente per Anzeigen in die Bresche geworfen", berichtete das Neue Deutschland in seiner Ausgabe vom 3./4. Februar und zitiert den Vorsitzenden des Berliner Journalisten-Verbandes, Alexander Kulpok, der das Verhalten der Postbank für "skandalös" hält. Dadurch habe man die JUNGE FREIHEIT in eine Position gebracht, "in der sie sich öffentlich als Märtyrer habe darstellen können", so das Fazit des Blattes.

Die FAZ beurteilt am 3. Februar die Entscheidung der Postbank folgendermaßen: "Der JUNGEN FREIHEIT dürfte der Vorgang einigen Auftrieb geben; sie wird sich künftig jedes Mal, wenn jemand ihre demokratische Gesinnung anzweifeln sollte, auf die Postbank als Kronzeugin berufen können." Auch sie erwähnt in ihrem Bericht, daß sich unter den Erstunterzeichnern des "Appells für die Pressefreiheit" "zahlreiche alte Bekannte aus dem Dunstkreis des Blattes", wie Alexander von Stahl, Gerhard Löwenthal und Heinrich Lummer befunden hätten. Die Berliner Zeitung verlagerte in ihrer Ausgabe vom 3./4. Februar den Schwerpunkt ihrer Berichterstattung auf die Begründung der Postbank zur Weiterführung des Geschäftskontos. Für den Postbanksprecher Palm seien letztlich "nur vier Zeilen" im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz "zu wenig" gewesen, um eine ausreichende Begründung für ihren Kündigungsbeschluß zu formulieren. Auch der Bonner General-Anzeiger vom 3./4. Februar und die Welt vom 3. Februar legten auf diese Tatsache ihr Hauptaugenmerk.

Eindeutig negativ beurteilt dagegen die Frankfurter Rundschau die Rücknahme der Kündigungsentscheidung. "In den Redaktionsräumen der rechten Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT dürften zurzeit die Sektkorken knallen", so das Blatt einleitend in seiner Berichterstattung vom 2. Februar. Die JUNGE FREIHEIT habe sich nach der Kündigung "ganz vortrefflich" "wie in ähnlichen Fällen als Opfer politischer Repression" dargestellt. Dabei habe die beantragte einstwillige Verfügung gegen diesen Schritt der Postbank beim Landgericht Berlin wenig Erfolg gehabt. Bereits im letzten Jahr habe das Oberlandesgericht Köln einen solchen Antrag der NPD abgelehnt und damit das Recht der Postbank auf Vertragsfreiheit untermauert. Bei dem Aufruf habe die JF "populistische Unterstützung" von "einschlägig bekannten Publizisten, Wissenschaftlern und Politikern aus dem Umfeld der JF" erhalten. So hätten sich ebenso der ehemalige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, als auch Focus-Chef Markwort vor den Karren der JF spannen lassen. In einem Kommentar der für die FR unverständlichen Rücknahme der Postbank-Entscheidung ernten in erster Linie die Verantwortlichen der Bank Spott, denen eine "peinliches" Umknicken vorgeworfen wird. Wörtlich heißt es: "Da haben sich die braven Banker schön blamiert. Ganz offenbar war die Kündigung ein Schnellschuß, schlampig vorbereitet. Und nun versteckt man sich hinter eben diesen Formalien. So zählt man nicht zu den Verteidigern der Demokratie."

Ebenso einhellig negativ fällt die Bewertung der Rücknahme der Kontenkündigung in der Tageszeitung Junge Welt vom 3./4. Februar aus. Begründet wird dies mit den Aussagen des Verfassungsschutzberichtes von Nordrhein-Westfalen und des Bundes: "NRW hält die Zeitung für ’rechtextrem‘, das Bundesamt ... für ’problematisch‘, da sie ’neben demokratisch-konservativen Autoren gelegentlich auch Rechtsextremisten in Form von Artikeln, Interviews und Kommentaren eine Forum‘ biete". Der Schritt der Bank sei folglich eine Entscheidung in die falsche Richtung. "Die Postbank hält das alles für Simsalabim, denn diese Einschätzungen bezögen sich nur auf die Zeitung und nicht auf den kontoführenden Verlag der JUNGEN FREIHEIT. Und das Wetter macht Adolf Hitler in der Himmelhölle", so Christof Meueler in seiner Glosse mit dem Titel "Halt die Presse".

Die Rücknahme der Kündigungsentscheidung wird von der Jungen Welt in erster Linie als Reaktion auf die breite Öffentlichkeitsarbeit der JUNGEN FREIHEIT gewertet. Nachdem die JF auf das Medienecho gesetzt habe, habe die Bank "prompt die Hacken zusammengeschlagen und das Konto wieder eingerichtet".


 
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