© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Springer unter Druck?
Mehrere Verlage lehnten "Appell" aus politischen Gründen ab
Hans-Peter Rissmann

Viel ist von Zivilcourage in diesen Wochen die Rede. Zivilcourage zeigten auf alle Fälle die fast 1.350 Unterzeichner des "Appels für die Pressefreiheit", die auf der gegenüberliegenden Seite dokumentiert sind.

Die Unterschriften kamen zustande, weil der Appell vergangenen Donnerstag in mehreren großen überregionalen Tageszeitungen als Anzeige veröffentlicht wurde.

Überraschenderweise lehnten jedoch eine Reihe großer Verlage den von Generalbundesanwalt a. D. Alexander von Stahl in Auftrag gegebenen Anzeigenauftrag ab. Offenbar hat der Druck der "Political Correctness" bereits die Vorstandsetagen nicht nur einer Großbank, sondern auch von Verlagshäusern erreicht, die ansonsten von sich sagen lassen, sie seien unabhängig.

Nicht völlig überrascht waren wir, daß die linksalternative tageszeitung (taz) den Appell nicht abdruckte – wenn es auch souverän gewesen wäre für eine Zeitung, die sich für unkonventionell hält. Arndt Klöckner von der Anzeigenabteilung der taz erklärte per Email: "ich möchte Ihnen nur kurz mitteilen, daß wir keine Anzeigen der JUNGEN FREIHEIT abdrucken." Immerhin hat jedoch kurz darauf der Ressortleiter Inland, Eberhard Seidel, den Appell unterzeichnet.

Unklar ist, weshalb die Financial Times Deutschland die Anzeige des FDP-Politikers ablehnte. Nicole Brammer von der Anzeigenverkaufsberatung der FTD erklärte per Fax: "Aus grundsätzlichen Erwägungen und mit dem Verweis auf Punkt 7 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Anzeigenpreisliste Nr. 1 müssen wir Ihnen mitteilen, daß wir die Anzeige ’Appell für die Pressefreiheit’ Ihres Kunden Alexander von Stahl nicht in der Financial Times Deutschland mitnehmen können."

Lapidar erklärt Jürgen Helten von der Anzeigenleitung des Handelsblattes per Fax: "Politische Anzeigen wie die Ihres Kunden ’Alexander von Stahl’ (Anführungsstriche durch das Handelsblatt! JF) für die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT veröffentlichen wir im Handelsblatt generell nicht."

Jürgen Malkowski, Anzeigenleiter der Berliner Zeitung, teilt mit: "Nach Prüfung des Anzeigentextes müssen wir Ihnen mitteilen, daß wir diese Anzeige aus grundsätzlichen Erwägungen nicht veröffentlichen werden." Die Berliner Zeitung ist die größte Abonnement-Zeitung in Berlin.

Daß die Berliner Morgenpost aus dem Springer-Verlag als Hauptkonkurrentin der Berliner Zeitung den Appell als Anzeige annahm, war wohl eine hausinterne Panne. Denn der Springer-Verlag ließ durch den Leiter der Anzeigenabteilung mitteilen, daß "aus grundsätzlichen Erwägungen" Die Welt und die Welt am Sonntag "auf die Veröffentlichung der o. a. Anzeige" verzichten. Eine Intervention der von Alexander von Stahl beauftragten Werbeagentur selbst beim Büro des Zeitungsvorstandes Matthias Döpfner, dem künftigen Vorstandsvorsitzenden des Axel Springer Verlages, bewirkte nichts. Wolfram Zerbst, Leitung Marketing Services des Springer Verlages teilte der Agentur mit, daß die JUNGE FREIHEIT "Kriterien für eine generelle Ablehnung von Anzeigen" erfülle. Zerbst erklärte, der Springer-Verlag betrachte den Appell von Stahls als eine Anzeige der JF. Eine Ablehnung im einen wie im anderen Fall ist jedoch ein Skandal erster Güte, der es mit dem Boykott-Versuch der Postbank locker aufnehmen kann. Eine Erläuterung, welches die Kreterien sind, die erfüllt sein müssen, damit der Springer-Verlag eine Anzeige ablehnt, war bis dato nicht zu erhalten.

Der Springer-Verlag wird sich damit sicher Fragen vieler, wohl mehrheitlich konservativ und nationalliberal geprägter Leser der Welt und Welt am Sonntag einhandeln, weshalb Springer-Zeitungen neuerdings zwar Anzeigen der PDS veröffentlichen, jedoch ein "Appel für die Pressefreiheit" eines FDP-Politikers und Generalbundesanwalts a. D. sowie einer kritischen Wochenzeitung wie der JUNGEN FREIHEIT untragbar sein sollen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen