© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Pankraz,
J. Schrempp und die feindliche Übernahme

Mercedes wird in Kürze von Toyota geschluckt. Das ist Gesprächsstoff auf vielen Partys, auch die Taxifahrer glauben schon Bescheid zu wissen. Und nun hat letztes Wochenende sogar ein prominenter Wirtschaftsteil (der der Welt am Sonntag) die Katze ein wenig aus dem Sack gelassen.

Noch einmal, so heißt es dort, wollen die von Mercedes gefütterten "Analysten" eine Sympathiekampagne für die "unterbewertete" Daimler/Chrysler-Aktie organisieren, aber wenn das nichts helfe, sei Schluß. Falls dann Herr Schrempp, der Vorstand, seine fragwürdigen Aquisitionen aus der letzten Zeit, also Chrysler, Mitsubishi und Hyundai, nicht mit einigem Gewinn wieder abstoße, werde Mercedes unbarmherzig "feindlich übernommen".

Dabei ist das Stuttgarter Unternehmen durchaus gesund, macht schöne Gewinne, und der Ruf seiner Produkte ist nach wie vor exzellent. Was die Ernte verhagelt und die Aktie halbiert, ist einzig die großspurige, alles vernünftige Maß übersteigende Unternehmenspolitik des Herrn Schrempp und seiner Leute, ihr globaler Fusionswahn, ihre Gier, die "Größten" zu werden und sich dabei unbekümmert über alle gewachsenen Strukturen hinwegzusetzen. Das rächt sich jetzt.

Was Skeptiker schon früher behauptet hatten: daß nämlich die gigantischen Firmenzusammenschlüsse der letzten Zeit weder den beteiligten Unternehmen noch den Volkswirtschaften nützen, sondern daß sie ihnen letztlich nur Schaden bringen – das wird jetzt einem staunenden Publikum auf riesiger Bühne und mit Starbesetzung vordemonstriert. Die größte und berühmteste deutsche Fabrik gerät ins Schwimmen, verliert ihre Identität, und ihre Vorstände (statt die sagenhaften "Synergie-Effekte" zu bündeln) verzetteln sich in hektischen Rettungsaktionen für die notleidenden Fusionspartner, zeigen Panik und Ratlosigkeit.

Und die Geier warten schon. Da sind die internationalen Aktionäre, die nicht im geringsten an dem kontinuierlichen Gedeihen einer Firma (nebst kontinuierlicher, mäßig-gesunder Gewinnerwartung) interessiert sind, die nur so schnell wie möglich absahnen wollen und sich enormen Augenblicks-Profit von der Verscherbelung von Mercedes erwarten. Da sind die Investmentbanker, die das Geschäft liebend gern "abwickeln" wollen, weil ihnen dabei unwahrscheinliche Provisionen an den Fingern kleben bleiben. Und da sind die vielen kleinen und größeren "Berater", "Consulter", die Schmutzgeier gewissermaßen, die sich immer einfinden, wenn irgendwo ein überdimensionaler Kadaver zerlegt wird.

Das Schauspiel ist widerlich, und wer sich ein bißchen klassischen Sinn dafür erhalten hat, daß das Schöne mit dem Guten und Richtigen in inniger Beziehung steht und daß nicht richtig sein kann, was einen scheußlichen Anblick bietet, der wird um einige Schlußfolgerungen nicht herumkommen. Die drei wichtigsten dieser Schlußfolgerungen sind:

Erstens: Keineswegs liefern die Bewegungen des sich nach eigener Logik vermehren wollenden Finanzkapitals eine Art höhere soziale Vernunft, eine Art "unsichtbare Hand" à la Adam Smith. Das trifft nicht einmal für die Wirtschaftsprozesse im engeren Sinne zu, Sharholder-Interessen sind nicht automatisch wertschöpfend, sie richten oft große Verheerungen an. Ihre zerstörerische Komponente muß kontrolliert und minimiert werden.

Zweitens: Groß ist nicht von vornherein schön. Zwar hatte auch die Parole der siebziger Jahre, "Small is beautiful", ihre Schwächen, aber sie garantierte doch immerhin Übersichtlichkeit, Vertrautheit mit den Dingen und Verhältnissen, mit denen man umging. Auch in der Wirtschaft gilt wahrscheinlich, wie überall, die aristotelische Forderung: "Suche nach dem richtigen Maß!" Großformate, die keine Grenzen estimieren, seien diese nun geopolitisch, psychologisch oder organisatorisch, sind zum Scheitern verurteilt. Es ist nichts als ein sozialdarwinistisches Märchen, daß immer der eine den anderen fressen muß, weil er sonst selber gefressen wird.

Drittens: Eines der Hauptübel unserer Zeit sind größenwahnsinnige Manager. Nichts wirkt lächerlicher als der Anblick von Rennläufern mit kurzen Beinen, auch wenn sie sich "global players" nennen. Und das trifft nicht nur auf Vorstandssprecher und Aufsichtsratsmitglieder zu, sondern ebenso auf die obengenannten Schmutzgeier, den Heerstrom der Analysten, Consulter und Wirtschaftsjournalisten im Fernsehen und in den Zeitungen.

Fast jeder von denen hält sich mittlerweile für eine Art Zentralchip, bei dem ungezählte Drähte zusammenlaufen und der nun mit seinem Urteil über dramatischste Wertsteigerungen oder Wertverluste entscheidet. So hält er sich "grundsätzlich bedeckt", redet nur noch um so und so viele Ecken herum und verwandelt seinen Infodienst bzw. seine Wirtschaftskolumne in ein Kreuzworträtsel, dessen Lösungsworte zudem nicht einmal zueinander passen und heillose Konfusion anrichten.

Wenn es stimmt, daß der Zusammenbruch der (nicht zuletzt von solchen Schmutzgeiern) hochgedonnerten "New Economy" der Vorbote einer großen allgemeinen Wirtschaftskrise war, so sollte man sich rechtzeitig wappnen und so schnell wie möglich das Personal verbessern. Mehr Ehrlichkeit, mehr Bescheidenheit, mehr genaue Blicke auf die nächste Umgebung sind gefordert.

Für Mercedes hieße das unter anderem auch, daß man sich auf die eigene Firmengeschichte zurückbesinnt. Als in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die deutsche Autoindustrie schon einmal durch wüsteste Finanzspekulationen aufs Höchste gefährdet wurde, da waren es in Stuttgart die Mercedes- und Benz-Oberen Kissel und von Stauss, die das Steuer herumrissen und die Werke retteten. Eine große Leistung! Herr Schrempp sollte sich das im Firmenarchiv einmal ansehen.


 
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