© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Stätten der Vormoderne
John Mitchell: Heiliges England
Werner Olles

Kaum eine Landschaft in Europa birgt so viele jahrtausendealte heilige Stätten wie England: Kathedralen, Klöster aus normannischer Zeit, mittelalterliche Kirchen, Orte der Verehrung von Dichtern und Heiligen, Heiligtümer aus vorchristlicher Zeit, über 5.000 Jahre alte geheimnisvolle Bauwerke, Tempelanlagen und Brunnen. Manche dieser Stätten wie Stonehenge, Canterbury, Westminster Abbey oder Glastonbury ziehen jedes Jahr Scharen von Pilgern und neugierigen Touristen an, während andere wie Avonbury, Exeter oder die heiligen Brunnen von Cornwall unberührt an versteckten Orten liegen und in den meisten Reiseführern überhaupt nicht verzeichnet sind.

John Michell beginnt seine Reise zu den spirituellen Plätzen in London und dessen Umgebung und führt den Leser über Glastonbury, den "heiligsten Boden Englands", nach Cornwall, entlang der walisischen Grenze bis zur Insel Lindisfarne, dem nördlichsten Punkt, und dann, der Ostküste folgend, zurück nach London. Als Experte für die Geschichte des religiösen Erbe Englands und seiner sakralen Stätten und kultischen Landschaften läßt er seine Leser teilhaben an den Legenden, Sagen und Traditionen.

Schwerpunkte dieses ebenso ungewöhnlichen wie spannenden Reiseführers bilden die Londoner Stadtkirchen St. Pauls Cathedral und Westminster Abbey, die Katharinenschreine im Süden Englands, die heiligen Brunnen Cornwalls, die Klosterruinen in Yorkshire, die Heiligen der Angelsachsen in den Fens und die Artusstätten in Cumbria. Eines der wichtigsten Kapitel beschreibt die Entstehung der heiligen Landschaft, über den Urgarten, Schreine und Siedlungen, Megalithmonumente, den heiligen Wissensschatz der Druiden, die Christianisierung und das Ende der keltischen Kirche bis zur Reformation. Mitchell weist daraufhin, daß England vor der Reformation ein sehr religiöses Land war mit bedeutenden Pilgerstätten und Heiligenschreinen, deren Reliquien Wunderheilungen und andere Segnungen versprachen. Erst mit der Zerstörung der Reliquien und religiösen Idole durch die Puritaner und dem folgenden Verbot der Riten, Feiern und Versammlungen der Gläubigen begann eine Entwicklung, die durch die Zentralisierung der politischen und wirtschaftlichen Macht verheerende Folgen für die Unabhängigkeit und Kultur der verschiedenen Regionen hatte. Industrialisierung, moderne Landwirtschaft und neue Kommunikationsformen beschleunigten diesen kulturellen Niedergang.

John Michells "Heiliges England" läßt die legendären Verbindungen des Volkes zu den mythischen Stätten, in denen sich die Geschichte von Jahrhunderten spiegelt, in anschaulicher Weise wieder aufleben.

 

John Michell: Heiliges England. Reiseführer zu den mythischen Stätten Englands. Zweitausendeins. Frankfurt am Main 2000. 384 Seiten, 192 Fotos, 39 Mark


 
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