© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/01 16. Februar 2001

 
Bildersturz im Rathaus
Westfalen: Die SPD von Horn-Bad Meinberg nutzt im Kampf gegen Rechts Hammer und Meißel
Erik Howe / Frank Westphal

Die kleinen Städte im ostwestfälischen Kreis Lippe sind bisher kaum durch politische Aktionen aufgefallen. Im Zuge der Kampagne "gegen Rechts" hat sich dies in den letzten Tagen drastisch geändert.

Der SPD-Bürgermeister der beschaulichen 16.500 Seelengemeinde Horn-Bad Meinberg an den Externsteinen, Eberhard Block, nahm die Aufforderung des Kanzlers zum "Aufstand der Anständigen" in verspätet-vorauseilendem Gehorsam besonders ernst: Er ließ eine Stucktafel des Künstlers Robert Henckel aus dem Jahre 1934 im Rathaus der Gemeinde im Alleingang abhängen und erregt seitdem die Gemüter der Lokalpolitik. Das Kunstwerk zeigt das Wappen der Stadt, sowie den Spruch "Gemeinnutz geht vor Eigennutz".

Museumsleiter Christian Kastner erläuterte den historischen Kontext des Wappenreliefs in einer mehr als gewagten Konstruktion: "Die Forschungsliteratur macht deutlich, daß es sich um dasjenige Sprichwort handelt, das von den Nationalsozialisten am häufigsten zur ideologischen Legitimation ihrer Herrschaft in Anspruch genommen wurde." Bürgermeister Block: "Da prangte dick und groß ein Nazi-Emblem in unserem Ratshaus."

Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Eckart Knoerich, der die Tafel an Ort und Stelle erhalten sehen will, ist das ein ungeheuerlicher Vorgang. Mit seinem Verhalten gehöre der Bürgermeister in eine Reihe mit den nationalsozialistischen Bücherverbrennern. Das Wappen sei schließlich ein Kunstwerk, und solche "zerstört man nicht, auch wenn sie einem nicht gefallen".

Tatsächlich stammt die Weisheit, daß Gemeinnutz über Eigennutz stehe, schon aus antiker Zeit. Der römische Staatsmann Cicero (106–63 v.Chr) prägte diesen zeitlos positiven Satz zur Verdeutlichung seines gesellschaftlichen Ideals, das eine Grundlage des modernen Rechtes darstellt und alltäglich tausendfache Anwendung findet. Die Nationalsozialisten mißbrauchten dieses Zitat. Ideologisch betrachtet, paßt dieser Satz jedoch ebenso in das alte Preußen, wie auch in sozialistische Systeme des Ostblocks. Besonders jedoch in die heutige Zeit, in der Egoismus und Hedonismus weitverbreitete gesellschaftstypische Phänomene der westlichen Kultur sind und der Gemeinschaftsgeist in weiten Bereichen kaum mehr spürbar ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Horner Bildersturz umso hanebüchener: Ohne aus der Geschichte das Positive herauszufiltern, werden planlos und ohne Sinn und Verstand plumpe Feindbilder verfolgt – selbst dann, wenn man sich solche mit Hilfe abstruser Konstruktionen erschaffen muß.


 
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