© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/01 16. Februar 2001

 
Zeitschriftenkritik: Sozialistische Zeitung
Im Schatten verwehter Ideologien
Werner Olles

Seit dem Tode ihres "Chefideologen" Ernest Mandel führt die IV. (trotzkistische) Internationale weltweit ein Schattendasein. In Europa sind höchstens ihre französischen (Ligue Communiste Revolutionnaire/LCR) und britischen (Revolutionary Workers Party/RWP) Sektionen von einiger, wenngleich auch zahlenmäßig äußerst geringer Bedeutung. In einigen Ländern werden jedoch bestimmte linksradikale Gewerkschaften mit dem Etikett "trotzkistisch" versehen, wie beispielsweise in Frankreich "Lutte Ouvriäre" (LO). In Deutschland fristen diverse miteinander konkurrierende Organisationen eine ziemlich triste Sektenexistenz nach dem Motto: klein, aber fein. Einige trotzkistische Theoretiker wie Winfried Wolf und Jakob Moneta haben sich jedoch inzwischen fest in etablierten linkssozialistischen Parteien wie der PDS integriert.

Die im Zeitungsformat 14tägig erscheinende Sozialistische Zeitung (SoZ) wird von der "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) herausgegeben. Sie erscheint in einem Umfang von sechzehn Seiten im 15. Jahrgang, zusätzlich gibt die VSP dreimal im Jahr das 35 Seiten starke SoZ-Magazin heraus. Wenig erinnert bei der Lektüre an den ursprünglichen Trotzkismus. Leo Trotzki, Führer der Russischen Oktoberrevolution, Gründer der Roten Armee und Sieger des Bürgerkrieges, der "Schlächter von Kronstadt", den Stalin in seinem mexikanischen Exil heimtückisch ermorden ließ, kommt zwar als Theoretiker der "permanenten Revolution" zwischen den Zeilen hin und wieder noch zu Wort, aber das gescheiterte Sektierertum der IV. Internationalen und nicht zuletzt Trotzkis eigenes tragisches Scheitern werden wohl doch perspektivisch nicht als besonders zugkräftig und euphorisierend angesehen.

So bleibt auch der SoZ außer dem Rückgriff auf die eher banale Tagespolitik nicht viel zu tun, seit die großen Theorien verblaßt sind und die alten Ideologien nur noch von ein paar wenigen ewigen Sektierern tapfer hochgehalten werden. Natürlich wird auch hier todesmutig ein sogenannter "Antifaschismus" – dem Trotzki bekanntlich sehr differenziert gegenüberstand – gepflegt und in Ermangelung echter Faschisten eine "Kampagne gegen Nazi-Musik" gestartet. In einem Aufwasch zählt man dazu auch gleich die Dark Wave-, Gothic- und Black Metal-Szene. Angelo Lucifero, stellvertretender Landesleiter der Gewerschaft HBV und Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus/Antirassismus, wettert gegen die "antikapitalistische Taktik" der NPD, von der sich auch die "PDS-Klientel oder frühere SED-Leute angesprochen" fühlten. Auf dieser Linie liegen auch die Thesen zum kommenden Einwanderungsgesetz.

Recht informativ sind dagegen die jüngst erschienenen Beiträge über "AIDS in Südafrika" und eine Mediennachlese über den Vietnamkrieg. Als interessante Lektüre für diskussionsfreudige Konservative wird die SoZ dennoch nicht benötigt. Werner Olles

SoZ-Verlags-GmbH, Dasselstr. 75-77, 50674 Köln. Einzelpreis: 3,50 Mark. Jahresabo: 98 Mark


 
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