© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/01 16. Februar 2001

 
CD: Jazz
Eigenwilliges
Michael Wiesberg

Zeit seines Lebens stand der filigrane Hardbop-Trompeter Kenny Dorham (1924–1972) im Schatten etablierter Blue-Note-Kollegen wie Lee Morgan, Freddie Hubbard oder auch Donald Byrd. Zu unrecht, schaut man auf gelungene Dorham-Alben wie "Una Mas", "Trompeta Toccata" oder "Afro Cuban", die Dorhams hohe Virtuosität an der Trompete dokumentieren. Jetzt ist die 24-Bit-Neuaufnahme des Albums "Whistle Stop" von 1961 erschienen (Blue Note, Vertrieb: EMI Electrola). "Whistle Stop" war das erste Album, das ganz von Dorham selbst geschrieben wurde. Zur Seite standen ihm der Pianist Kenny Drew, das Rhythmusteam Paul Chambers (Bass) und Philly Joe Jones (Schlagzeug) sowie der begnadete Saxophonist Hank Mobley, mit dem Dorham seit den Aufnahmen zu dem "Jazz Messengers"-Album "Café Bohemia" des öfteren zusammenarbeitete. Als Referenzgrößen von Dorham kommen am ehesten Art Farmer und Miles Davis in Betracht, die durch ihre melodische Erfindungskraft und ihr nuanciertes Spiel das Ausdrucksspektrum der Jazztrompete entscheidend erweitert haben. Dementsprechend erschließt sich die Eleganz des flüssigen, zurückhaltenden Spiels Dorhams dem Hörer erst nach und nach. Dies entsprach im übrigen ganz der Art dieses Trompeters, der kompromißlos seinen Stil entwickelte und niemals kommerzielle Interessen zeigte. Wahrscheinlich war dies ein Grund dafür, warum Dorham nie den ganz großen Durchbruch geschafft hat.

Das Duo "To be two", das sind die in Essen geborene Sängerin Christiane Weber und der Gitarrist Eddie Nünning, die seit 1996 die individuellen Arrangements ihrer persönlichen Lieblingstitel in intimer Konzertatmosphäre präsentieren. Diese liegen jetzt als CD unter dem Titel "Everything" (Acoustic Music Records) vor. Der Bogen, den beide Künstler spannen, reicht von Jazzstandards wie "My favourite Things" oder "Route 66" bis hin zu dem Leonard Cohen-Stück "Song of Bernadette". Daß sich Christiane Weber eingehend mit dem Chanson beschäftigt hat, kommt diesem Album zugute. 1998 erarbeitete sie mit dem Pianisten Timm Beckmann ein Chanson-Programm mit dem Titel "Himmelhoch jauchzend – zu Tode verliebt", das auch als CD erschien. Eddie Nünning verleiht diesem Duo eine besondere Note durch den Einsatz eines Gitarrensynthesizers, der orchestrale Besetzungen andeutet und durch die Mischung mit dem eigentlichen Gitarrenklang neue Klangdimensionen erschließt. Die stimmliche Expressivität von Christiane Weber und die Klangwelten von Nünning ergeben eine Melange von hoher künstlerischer Reife, der man viele Hörer wünscht.

Ebenfalls beim Osnabrücker Musikverlag "Acoustic Music Records" ist das Solo-Album "Dreams within Dreams" des ungarischen Gitarristen Sándor Szabó erschienen. Der Traum, dem Szabó nachhängt, beschreibt er wie folgt: "Ich möchte unseren Kulturbegriff ausweiten und eine Zuhörerschaft für die Akustik-Gitarre schaffen." Dies nicht nur in seinem Heimatland Ungarn, sondern auch sonst in der Welt. Die Schwierigkeit, der sich Szabó ausgesetzt sieht, resultiert aus der Tatsache, daß die ungarische Musik keine Gitarrentradition hat. Dafür biete Ungarn, so Szabó, eine reiche und vielfältige Kultur der Volksmusik, auf die bereits Komponisten wie Belá Bartok oder Zoltán Kodály zurückgegriffen hätten. Szabós Ziel ist es, über seine 16saitige Gitarre eine neue Dimension der ungarischen Volksmusik zu erschließen. In diesem Sinne kann Szabó als Pfadfinder bezeichnet werden, der die vielen Einflüsse, die die ungarische Kultur prägen, auf innovative Art und Weise in seine Musik zu integrieren versucht. Sein Album beinhaltet Transkriptionen ungarischer Volkslieder sowie einige Improvisationen, die mit Volksmusik-Elementen kombiniert sind. Ohne Zweifel ist Szabó ein spannungsreiches und hohen künstlerischen Ansprüchen genügendes Album gelungen.


 
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