© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/01 23. Februar 2001

 
Revolutionäre Terrorzellen
Der ehemalige Terrorist Hans-Joachim Klein wurde zu neun Jahren Haft verurteilt / Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Fischers Zeugenaussage gegen den Außenminister
Werner Olles

Regungslos vernahm Hans-Joachim Klein am 15. Februar das Urteil der Schwurgerichtskammer des Frankfurter Landgerichts: Neun Jahre Haft wegen dreifachen gemeinschaftlich begangenen Mordes, versuchten Mordes und 70facher Geiselnahme. Die fast zweieinhalbjährige Untersuchungshaft wurde dem 53 Jahre alten Autoschlosser angerechnet, zudem kann er darauf hoffen, nach Verbüßung von Zweidrittel seiner Strafe auf freien Fuß gesetzt zu werden. Wegen Fluchtgefahr wurde der Haftbefehl gegen ihn jedoch aufrechterhalten. Kleins Verteidiger, Eberhard Kempf, hatte für eine Strafe von acht Jahren plädiert, der Staatsanwalt vierzehn Jahre gefordert. Einen Tag später legte die Staatsanwaltschaft gegen das ihrer Ansicht nach zu milde Urteil Berufung ein.

Zugute kam dem Angeklagten vor allem seine Ernennung zum Kronzeugen, mit der sich das Gericht juristisch allerdings auf dünnes Eis begab. Die sogenannte Kronzeugenregelung – als Chance für geläuterte Täter aus der Terrorszene gedacht –, war zum Zeitpunkt der Tat noch nicht in Kraft und galt zudem nur bis Ende des vergangenen Jahres. Zweifelhaft ist auch, ob Klein den Behörden tatsächlich relevante Hinweise auf weitere terroristische Straftäter geben konnte oder wollte. Sein Mitangeklagter Rudolf Schindler, wie Klein Mitglied der "Revolutionären Zellen", mußte jedenfalls freigesprochen werden, weil Kleins Aussagen zu dessen logistischen Hilfestellungen beim Wiener Opec-Anschlag von 1975 zu dürftig waren. Schindler bleibt jedoch wegen des Verdachts, an mehreren Terroraktionen in den achtziger Jahren beteiligt gewesen zu sein, weiter in Haft.

Zur Vorgeschichte: Am 21. Dezember 1975, Kleins 28. Geburtstag, hatte ein sechsköpfiges Terrorkommando der "Revolutionären Zellen" die Opec-Konferenz in Wien überfallen. Ein irakischer Sicherheitsbeamter, ein lybischer Diplomat und ein österreichischer Polizist wurden von den Terroristen, unter denen sich auch die beiden Deutschen Gabriele Kröcher-Tiedemann und Hans-Joachim Klein befanden, erschossen. Klein selbst wurde durch einen Querschläger schwer verletzt. Nach seiner Notoperation in einem Wiener Krankenhaus flogen die Terroristen mit elf Geiseln nach Algier. Im Mai 1977 bedauerte Klein in einem Brief an den Spiegel, dem er seine Pistole beilegte, die Wiener Morde als "völlig sinnlos" und warnte vor einem Anschlag auf Heinz Galinski, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wenig später behauptete er – wiederum im Spiegel – Lybiens Staatschef Ghaddafi habe den Überfall angestiftet und finanziert.

Ende 1979 erschien sein Buch "Rückkehr in die Menschlichkeit", mit dem er zwar einerseits nicht zum "Verräter" werden wollte, andererseits aber seine eigene Abkehr vom "unmenschlichen" Terrorismus dokumentierte. In den folgenden Jahren verbarg sich der Ex-Terrorist in Frankreich, finanziell unterstützt von alten Freunden aus der Frankfurter Sponti-Gruppe "Revolutionärer Kampf". Im September 1998 wurde Klein in Frankreich festgenommen und am im Mai 1999 an Deutschland ausgeliefert. Am 17. Oktober begann schließlich der Prozeß vor dem Frankfurter Landgericht.

Als sogenannte Zeitzeugen traten während des Prozeßes Kleins ehemalige RK-Genossen Daniel Cohn-Bendit und Matthias Beltz auf, die auch zu seinen Unterstützern zählten. Höhepunkt war jedoch zweifellos die Vernehmung des Zeugen Joseph Fischer. Zwar hatte der Außenminister und Vizekanzler Deutschlands zur Sache kaum Erhellendes mitzuteilen, plauderte dann aber bei einer Frage des Staatsanwalts, auf die er eigentlich gar nicht hätte antworten müssen, weil sie mit Klein nichts zu tun hatte, munter drauf los. Der anders als Richter Gehrke von dem wortgewaltigen Zeugen nur mäßg beeindruckte Staatsanwalt Volker rath hatte Fischer gefragt, ob die damalige RAF-Sympathisantin Margrit Schiller sich zeitweise in seiner Wohngemeinschaft aufgehalten habe, was dieser mit den launigen Worten, er sei kein "Herbergsvater für Terroristen" gewesen, kategorisch verneinte. Kurz darauf meldete sich Fischer bei einem ARD-Reporter und teilte diesem mit, es könne doch sein, daß er mal mit Schiller gefrühstückt habe und mit ihr durch die Kneipen gezogen sei, wie Schiller dies auch in ihrer Autobiographie schilderte. Sie hätte sich jedoch nicht in seiner und Cohn-Bendits Männer-WG, sondern in einer Frauen-WG im gleichen Hause aufgehalten.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat inzwischen wegen uneidlicher Falschaussage ein Ermittlungsverfahren gegen den Außenminister eingeleitet. Möglicherweise wird der Fall Klein jetzt doch noch zu einem Fall Fischer.


 
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