© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/01 02. März 2001

 
Die Europäische Union als Retter in der Not
NPD-Verbot: Pressekonferenz mit Hindernissen / Anwalt Mahler spielt die europäische Karte / Kontakte zu Kameradschaften bestätigt
Steffen Königer

Pressekonferenzen von Parteien sind an sich nichts ungewöhnliches, anders bei der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Die vom Verbot bedrohte Bundespartei lud am Freitag voriger Woche zu einer Pressekonferenz ein, für die man sich einen Tag zuvor akkreditieren mußte. Doch mit dem Anruf begann für Journalisten eine Art Odyssee. Bei der Anmeldung teilte eine NPD-Mitarbeiterin den Treffpunkt mit: "Begeben Sie sich am morgigen Freitag zum S-Bahnhof Berlin Grünau. Um elf Uhr werden dort am ‘Park and Ride‘-Parkplatz zwei Leute stehen und Ihnen nähere Anweisungen erteilen."

Dort im Schneechaos der vergangenen Woche angekommen, war auf den ersten Blick nichts zu entdecken. Falsche Information? War der lange Weg mit der S-Bahn umsonst? Anruf per Handy in der Redaktion: "Schau doch noch mal auf die Pressemitteilung, hier stimmt was nicht." Doch tatsächlich fiel kurz vor elf der Blick auf zwei mit schwarzen Jacken bekleidete Männer, die auf dem Parkplatz im knöchelhohen Schnee stehend der Dinge harrten, die auf sie zukamen. Auf den ersten Blick als typische NPD-Ordner zu erkennen, verteilten sie ab Punkt elf Uhr Handzettel. Nächster Anruf in der Redaktion: "Alles klar, ich sehe die ‘Kontaktmänner‘. Glaube, die wollen im Wald die Pressekonferenz abhalten." Auf dem Zettel war der Anfahrtsweg zum Tagungsort auf einer Landkarte eingezeichnet. Die Wartezeit auf die Kollegen von anderen Medien vertrieb man sich mit kleinen Späßen: "Sind Sie Pfadfinder oder benötigen Sie noch einen Kompaß?", denn für Ortsunkundige war die Landkarte so schwer zu lesen, daß ein holländisches Fernsehteam erst einmal in die verkehrte Richtung abfuhr. Knapp zehn Minuten später – zwei Kilometer von dem Treffpunkt – im Hotel angekommen, in dem die Pressekonferenz stattfinden sollte, mußte sich die Schar der etwa 20 Journalisten noch eine Zeitlang gedulden. Aufgrund der widrigen Witterungsverhältnisse und der deshalb tropfenweise eintreffenden Medienvertreter begann die Pressekonferenz mit halbstündiger Verspätung.

"Bundesregierung verdient nicht, gehört zu werden"

Auf dem Tisch vor NPD-Pressesprecher Klaus Beier waren die drei Ordner mit den Beweismitteln aufgebaut, die die Bundesregierung am 30. Januar beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hatte. Der Rechtsanwalt Horst Mahler führte als erstes aus, warum der eingereichte Antrag der Bundesregierung zum Verbot der NPD scheitern müsse. Die Bundesregierung habe ihre rechtlichen Möglichkeiten zweckentfremdet und verdiene nicht, vor dem Bundesverfassungsgericht gehört zu werden, so Mahler. Interessant waren die Ausführungen, die sich auf die europäische Ebene bezogen. So erklärte der Berliner Rechtsanwalt, der im Juli letzten Jahres in die NPD eintrat, daß das Verfahren auch im Hinblick auf den EU-Vertrag unzulässig sei. Schließlich hätte die Partei bereits mehrmals erfolgreich an Europawahlen teilgenommen und könne deswegen nicht von einem deutschen Gericht verboten werden.

Die NPD erreichte bei den Europawahlen 1994 0,2 Prozent und konnte dieses Ergebnis 1999 auf 0,4 Prozent steigern. Bis zu einer Entscheidung des EU-Gerichtshofs müsse das Verbotsverfahren ausgesetzt werden, erklärte Mahler. Die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union kennen ein mit Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes vergleichbares Parteienverbot nicht, heißt es in Mahlers Antrag zur Abweisung der Klage durch das Bundesverfassungsgericht. Daß Mahler in diesem Prozeß sehr stark die europäische Karte spielt, ist neu. Es zielt darauf ab, einen europäischen Parteienstatus erreichen zu können, auch wenn dieser, wie Mahler selbst sagte, noch keine klare Ausformung gefunden hat.

Parteichef Udo Voigt sagte süffisant zu Beginn seiner Ausführungen, er werde vom Aussteigerprogramm des Bundesinnenministers Otto Schily keinen Gebrauch machen. Er empfehle aber allen Jugendlichen, die aufgrund der Arbeitsmarktsituation keine Arbeit hätten, in seine Partei einzutreten. So könne man sich sicher sein, so der Ex-Bundeswehrhauptmann, von der Regierung eine Stelle zu bekommen, wenn man – als Neonazi deklariert – wieder aussteige. Voigt bezeichnete den Verbotsantrag als "juristischen Putschversuch", denn er sei inhaltlich nicht begründet.

Voigt: "Wir haben einen erzieherischen Auftrag"

Leider nur knapp ging Voigt auf den Inhalt der Beweisordner ein. Dort würde der NPD-Pressesprecher Klaus Beier vom Bayerischen Verfassungsschutz bezichtigt, 1991 in der "Deutschen Alternative" Cottbus als Schatzmeister fungiert zu haben. Aber, so Voigt, Beier hätte in diesem Zeitraum dauerhaft in Aschaffenburg gelebt und nicht einmal den Landesvorsitzenden der Organisation in Brandenburg gekannt. Auf die Frage, ob dies das einzige Beispiel für eine falsche Darstellung in der Klageschrift sei, antwortete der Parteichef, daß man noch nicht alles gesichtet hätte, aber im Bericht mit negativen oder nachteiligen Äußerungen erwähnte Parteimitglieder bereits um eine Stellungnahme gebeten hätte. Voigt rechtfertigte Kontakte der NPD zu den umstrittenen Kameradschaften. Man gehe bewußt auf diese zu, um sie nicht allein zu lassen. "Wir haben einen erzieherischen Auftrag ihnen gegenüber", so Voigt, die Partei habe eine soziologische Kompetenz inne, die der Staat missen lasse. Man versuche, den Haß der jungen Menschen in politische Energie umzuwandeln.

Was Voigt und die NPD tun werden, wenn das Bundesverfassungsgericht die Partei verbietet, wurde gefragt. Man schließe die Aktendeckel und suche sich neue Felder, um politisch weiterarbeiten zu können, antwortete Voigt. Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT, ob denn nicht vor dem Europäische Gerichtshof im Falle eines Verbots Revision eingelegt werde, verneinten Mahler und Voigt. Dies sei dann endgültig, und man werde sich auf europäischer Ebene anders betätigen.

Eine Erklärung für die doch sehr konspirativen Umstände der Pressekonferenz versuchte NPD-Sprecher Beier im nachhinein zu liefern. Es sei für die Partei in der momentanen Situation so gut wie unmöglich, ein Hotel für eine Veranstaltung mieten zu können. Bei zwanzig Häusern habe man es versucht und sei nach anfänglichen Zusagen stets wieder abgelehnt worden, erläuterte Beier. Dies bedauerte auch der NPD Bundesvorsitzende Udo Voigt, der hinzufügte, daß nach Zusagen einiger Hotels stets der Staatschutz mit zwei Beamten auftauchte und den Betreibern erklärte, man könne im Falle der Durchführung der Pressekonferenz dem Haus keinen Schutz mehr bieten.


 
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