© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/01 02. März 2001

 
Die Tiermast und der Welthunger
Landwirtschaft: Tiermehl-Ersatz Soja / Futterimporte aus ärmeren Ländern schaffen Probleme
Martina Zippe

Seit dem 2. Dezember letzten Jahres darf an Nutztiere kein Mehl aus Tierkörpern mehr verfüttert werden. Die Rinderseuche BSE hat dafür gesorgt. Was bekommen die Tiere aber statt dessen zu fressen? Ein verstärktes Zurückgreifen auf Futtermittel aus sogenannten Entwicklungsländern könnte die Folge sein.

Bereits 1981 wurden von der weltweiten Getreideernte 47 Prozent als Viehfutter verwendet. (Reis ist hierbei nicht mitgezählt.) Neben dem Futtergetreide werden auch Sojabohnen, Rückstände aus der Speiseölgewinnung (Ölkuchen) und Fischmehl an das Vieh verfüttert. Von den Futtermittel-Importen der Europäischen Gemeinschaft (Soja, Ölprodukte, Getreidesubstitute) stammten 1979 bis 1981 48 Prozent aus den Entwicklungsländern, der Rest kam hauptsächlich aus den USA und Kanada. Die Bundesrepublik Deutschland hatte 1982 ebenfalls einen "Dritte-Welt"-Anteil von 48 Prozent an diesem Futter. Getreide und Soja aus armen Ländern werden als Viehfutter in reichen Ländern verwendet. Zwar bringt der Futtermittelexport den Herkunftsländern wichtige Devisen, doch die einheimische Bevölkerung würde Mais, Soja und Getreide dringender brauchen. Jedes Jahr sterben 50 Millionen Menschen in der "Dritten Welt" an Hunger, während wir rund 65 Kilo Fleisch pro Jahr und Kopf essen.

Dabei müssen große Mengen an Nahrungsmitteln eingesetzt werden, um eine relativ kleine Fleischmenge zu erhalten; Rinder brauchen 16 Kilo Korn und Soja im Futter, um ein Kilo Fleisch zu liefern, bei Schweinen ist das Verhältnis sechs zu eins, bei Brathähnchen drei zu eins und bei Eiern ebenfalls drei zu eins. Milch wird etwa mit fünf zu eins umgerechnet. Wenn die Tiere auf der Weide gehalten werden, sind die Vergleichsrechnungen günstiger, weil mehr tierische Nahrung auf das Gras zurückgeht. Wenn aber das Vieh in der heute in den Industrieländern üblichen Intensivmast in Ställen lebt, ist die Verschwendung an potentiell menschlichen Nahrungsmitteln sehr groß. Dies bedeutet praktisch, daß ein Rindersteak von 225 Gramm, welches eine Person verzehrt, statt dessen 45 bis 50 Menschen mit Getreide gesättigt haben könnte. Zur Gewinnung des Steaks wurden nämlich 8 Pfund Getreide und Soja an einen Ochsen verfüttert – eine Menge, die ungefähr 16 Tassen Trockengetreide oder 48 Tassen gekochtem Getreide entspricht.

Der Anbau von Futtermitteln für den Export in die Industrieländer kann mit der Produktion von Grundnahrungsmitteln der einheimischen Bevölkerung konkurrieren. Dies wird deutlich am Sojaanbau: In Lateinamerika etwa war die aus Ostasien stammende Sojabohne noch vor 35 Jahren eine unbekannte Pflanze. Durch Neuzüchtungen konnte sie in den Tropen Brasiliens verbreitet werden. Die rasante Ausweitung des Sojaanbaus führte in Brasilien, dem inzwischen zweitgrößten Sojaproduzenten der Welt, in den achtziger Jahren zu einer Verschlechterung der Ernährungssituation der armen Bevölkerung. Während der größte Teil der Sojabohnen Brasiliens nämlich für den Export angebaut wurde, blieb immer weniger Platz zum Anbau des Grundnahrungsmittels Schwarzbohnen. Hinzu kam die Vertreibung der Kleinbauern von ihrem Land durch agroindustrielle Großbetriebe. Über 80 Prozent der Sojabauern des Landes sind kapitalkräftige Immigranten.

Auch artenreicher Wald wird für den Sojaanbau gerodet. So wurden allein von 1990 bis 1999 in Brasilien 300.000 Hektar des sogenannten halb-immergrünen Saisonwaldes direkt für die Erweiterung des Plantagenlandes abgeholzt. Ein großer Verlust, da die regengrünen Wälder im Amazonas-Tiefland besonders artenreich sind. In Bolivien wächst der Flächenbedarf für Sojaplantagen zu Lasten des tropischen Regenwaldes, wie eine aktuelle Untersuchung der Ökonomen David Kainowitz und Joyotee Smith am CIFOR (Center of International Forestry Research) in Bogor, Indonesien, belegt hat.

Die deutschen Bauern mästen gern mit importierten Sojabohnen. Die jahrhundertelang angebauten heimischen Bohnen wie etwa die Saubohne verschmähen sie heute aber. Anders die Bio-Landwirte: Sie bauen ihre Futtermittel fast zu hundert Prozent auf dem eigenen Hof an, beziehen also nichts aus Entwicklungsländern. Für den heimischen Anbau von Soja spricht sich der Geschäftsführer des Deutschen Soja-Förderringes (DSF) Jürgen Reckziegel aus. Er fordert von der Bundesregierung ein eigenes Sojaförderprogramm zum Anbau von gentechnisch unveränderter Soja. Ein solches Programm laufe derzeit in Frankreich erfolgreich unter der Bezeichnung "Soja de Pays". Das niedrigpreisige Angebot aus Amerika habe in den letzten Jahren den deutschen Sojaanbau zurückgedrängt, stellt Reckziegel fest.

Die Problematik der Futtermittel-Gewinnung aus ärmeren Ländern hat Frances Moore-Lappé bereits 1971 in "Die Öko-Diät" beschrieben. Als Lösung plädiert die Bestsellerautorin Moore-Lappe´, die inzwischen Gründerin des amerikanischen "Institute for Food and Development Policy" ist, für eine Ernährung mit weniger Fleisch. Wichtig ist es dann, so die Ernährungswissenschaftlerin, dem Körper genügend Eiweiß in anderer Form als Fleisch zuzuführen. Hierbei leisteten Hülsenfrüchte, also Bohnen, Erbsen und Linsen, unverzichtbare Dienste. Die eiweißreichen Sojabohnen sollten möglichst nicht verfüttert, sondern direkt vom Menschen gegessen werden, so Moore-Lappé. Wem die Wurst fehlt, der kann auch Soja-Wienerle, Soja-Grillwürstchen verspeisen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen