© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/01 02. März 2001

 
Neulich im Internet
eTod
Erol Stern

Wenn ich mich in der heutigen Medienlandschaft umschaue, kann ich teilweise nur noch den Kopf schütteln. Gerade im Bereich von Sendungen, die sich sogar Talk-Show nennen dürfen, mag sich so mancher fragen, ob das nicht Vorboten für den intellektuellen "Untergang des Abendlandes" sind. Für reichlich Gesprächsstoff wird im Mai diesen Jahres ein Event der besonders makabren Art sorgen: Die kalifornische Firma Entertainment-Network hat sich die Übertragungsrechte an der Hinrichtung von Timothy McVeigh gesichert. McVeigh wurde als Initiator des Bombenanschlags in Oklahoma City 1995 zum Tode durch die Giftspritze verurteilt. Laut Gerichtsbeschluß hat er 168 Menschen auf dem Gewissen und mehr als 500 Verletzte. Er hatte sich selbst für eine öffentliche Übertragung ausgesprochen. Am 16. Mai können also Millionen voyeuristische Internet-User dem Spektakel beiwohnen, wobei selbst Befürworter der Todesstrafe diese neue Form der Öffentlichkeit kontrovers diskutieren. Dagegen sind Online-Friedhöfe nichts Neues. Hier kann man Tamagochi, Waldi und verstorbenen Verwandten oder Freunden ein Denkmal setzten. Zudem hat man hier mehr Platz, ein paar nette Worte über den Verstorbenen zu hinterlassen. Ein "Plugin" der besonderen Art haben die Kinder einer verstorbenen Schwedin entworfen, sie haben eine Webadresse in den Grabstein meißeln lassen. Man muß auch nicht lange suchen, um in Internetforen Newsgroups zum Thema Selbstmord zu finden. Wäre hier eine staatliche Überwachung gerechtfertigt, um Leben zu retten, fragt sich und Euch Euer EROL STERN


 
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