© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
BLICK NACH OSTEN
"Internationalisten" gegen Autonomie
Carl Gustaf Ströhm

Es begann mit einem Paukenschlag: In Mostar, der noch vom Krieg gezeichneten Stadt an der Neretva, beschlossen 538 Delegierte der von den Kroaten gewählten Volksversammlung die Gründung einer "kroatischen Selbstverwaltung" auf dem Gebiet Bosnien-Herzegowinas. Die Selbstverwaltung werde das kroatische Schachbrett-Wappen und die rot-weiß-blaue kroatische Trikolore führen. Ziel sei aber nicht die Zerschlagung Bosniens, betonte der Präsident des Nationalrats, Ante Jelavic, sondern die Umwandlung des Staates in eine föderative Republik aus gleichberechtigten Nationen. Das kroatische Volk in Bosnien sei, so Jelavic, gegenüber den anderen Nationen – Serben und bosnischen Moslems – nicht gleichberechtigt: "Mit einem solchen Zustand werden wir uns niemals abfinden, trotz aller offenen Drohungen mit Sanktionen durch die internationale Gemeinschaft."

Sollte die internationale Administration in Sarajevo nicht innerhalb von 15 Tagen die Voraussetzungen für eine Gleichberechtigung der Kroaten schaffen, trete automatisch der Beschluß über die Selbstverwaltung in Kraft – und zwar auf dem gesamten Territorium des Staates. Damit soll dokumentiert werden, daß die in Mostar versammelten Delegierten keine territoriale Teilung wünschen. Allerdings werde man Anordnungen der internationalen Verwaltung (etwa des "Hohen Repräsentanten" der EU, Wolfgang Petritsch) nicht mehr ausführen, wenn sie der Verfassung und den internationalen Dokumenten widersprechen. Auch etwaige Anordnungen des "Hohen Repräsentanten", Wahlergebnisse, die der Administration nicht passen, zu annullieren, werde man ignorieren.

Damit ist der Konflikt zwischen den bosnischen Kroaten und den internationalen "Statthaltern", vor dem kritische Beobachter seit langem gewarnt haben, offen ausgebrochen. Zumindest ein Teil der Verantwortung für diese erneute Verschärfung der bosnischen Situation ist dem unbekümmerten Treiben von Petritsch, einem Ex-SPÖ-Politiker, zuzuschreiben, dem die katholisch-konservative und nationalbewußte Weltsicht der Kroaten wohl zutiefst zuwider ist. So hat er im Namen der EU alles getan, um die kroatische Nationalpartei HDZ – die unter den Kroaten der multinationalen Republik eine ähnliche Rolle spielt wie etwa die Südtiroler Volkspartei – auszuschalten, ihren Repräsentanten sogar Berufsverbote in der Politik aufzuzwingen. Mit diesem Konfrontationskurs ist die "internationale Gemeinschaft" jetzt in Bosnien gegen die Wand gefahren.

Petritsch spricht von "gemäßigten Kroaten", mit denen er in Sarajevo zusammenarbeite. Er vergißt aber, daß es sich fast nur um kroatische Kommunisten und um die "multiethnische" SDP (vergleichbar der PDS) handelt. Diese favorisierten SDP-Kroaten werden aber von der Mehrheit der kroatischen Bevölkerung abgelehnt, zumal es bei den jüngsten Wahlen zu grotesken Zuständen kam – als etwa bosnische Moslems darüber abstimmten, welcher Kroate ins Parlament gewählt wurde.

Die internationalen Bosnien-Bürokraten haben auch die Warnungen des klugen Kardinals Puljic – des katholischen Erzbischofs von Sarajevo – in den Wind geschlagen, der immer wieder betont, die Existenz der katholischen kroatischen Volksgruppe schütze das Mehrheitsvolk der bosnischen Moslems davor, dem islamischen Fundamentalismus zu erliegen. Wer als internationaler Repräsentant die bosnischen Kroaten schikaniert und zur Verzweiflung treibt, öffnet unbewußt die Büchse der Pandora, aus der neues Unheil über das Land kommen wird.


 
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